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der Text L sei lateinisch, die Texte S und D seien deutsch und zwar in ihrer Fassung so nahestehend, dass sie zwar nicht auf einander beruhen, aber auch nicht selbstständig aus dem Lateinischen übersetzt sein können, so würde allerdings neben einem lateinischen x auch ein deutsches y nothwendig anzunehmen sein. Ein lateinisches x wäre aber schon kein völlig unbekanntes Glied mehr; und bei einem sich lediglich auf die Textverhältnisse von S, D, L stützenden Schlusse könnte x ebensowohl deutsch gewesen und L aus ihm übersetzt sein, wodurch die Nothwendigkeit der Annahme eines y ganz fortfallen würde. Nun ist freilich im angenommenen Falle unter besonders günstigen Verhältnissen die Möglichkeit des Nachweises, L könne in keiner Weise aus einem deutschen x übersetzt sein, und damit die Nothwendigkeit der Annahme eines y nicht zu bestreiten; aber das zu untersuchen würde doch erst an der Zeit sein, wenn überhaupt schon festgestellt wäre, dass keins der bekannten Glieder auf dem andern beruhen könne, also die Stellung 10. oder 10b. stattfinden müsse, welche für die nächste Aufgabe offenbar zusammenfallen; ergibt die Untersuchung die Unmöglichkeit der Stellung 10., so ist dadurch auch 10 b. ausgeschlossen.

Ein sechstes unbekanntes Glied würde überhaupt nie in Rechnung zu bringen sein, da es nur als Ausgangspunkt oder als nur zwei Glieder verbindendes Mittelglied hinzutreten könnte.

Beachtenswerthe Modifikationen der Stellung sind dann aber noch durch die Annahme von Doppelverwandtschaften bedingt, die Annahme, dass eine Quelle auf zwei andern unter sich schon verwandten beruht; denn der Fall des Beruhens einer Quelle auf zwei nicht mit einander verwandten Quellen gehört natürlich nicht hieher, da dann nicht mehr drei verwandte, sondern eigentlich zwei Paare verwandter Glieder vorlägen. Die Verwandtschaft der beiden frühern Glieder kann aber darauf beruhen, dass das eine aus dem anderen abgeleitet ist; dann ergeben sich entsprechend den Fällen 1—6 die möglichen Stellungen:

20.
S
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D |
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L
21.
S
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L |
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D
22.
D
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S |
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L
23.
D
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L |
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S
24.
L
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S |
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D
25.
L
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D |
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S
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Über die Entstehungszeit des Sachsenspiegels und die Ableitung des Schwabenspiegels aus dem Deutschenspiegel. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1859, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Entstehung_Sachsenspiegel_035.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)