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fähig ist, einen Blick in das Seelenleben und seine Entwickelung zu thun, so hat er eine genaue Kenntniß von der sittlichen Beschaffenheit des Schülers, wie sie sich in der Zeit des Schullebens und unter seinen Einflüssen entwickelt hat. Diese Kenntniß hat der Lehrer vor dem Pfarrer voraus, mit ihr kann und soll er dem Pfarrer, wenn dieser seine seelsorgerliche Arbeit beginnt, dienen. Er soll ihm ein Bild des Schülers entwerfen; er soll die hervorstechenden geistigen und sittlichen Eigenthümlichkeiten und Gebrechen aufdecken, die besonderen Gefahren für die Seele des Schülers zeigen. Das ist ein erster Dienst und von welchem Belang ist dieser Dienst!

 Wichtiger wird dieser Dienst noch für die Zeit der Christenlehrpflichtigkeit. In dieser Zeit hat zwar der Lehrer die Schüler nicht länger unter seinen Augen in der Schule, als der Pfarrer in der Christenlehre. Aber die Schüler geben sich in der Schule in ihrem wahren Wesen besser, als in der Kirche; daher hat der Lehrer in der Regel auch hier eine bessere Personalkenntniß der Schüler, als der Pfarrer. Aber auch über ihr Leben außerhalb der Schule erfährt der Lehrer mehr, als der Pfarrer. Die Gemeinden ziehen um die Pfarrhäuser ein Gehege, damit wo möglich nichts von ihrem Thun und Treiben zu den Ohren des Pfarrers komme. Dieses Gehege ist um das Schulhaus gar nicht, oder nicht so dicht. Die Nachfrage des Pfarrers führt aber in der Regel zu gar nichts, denn die Eltern rechtfertigen ihre Kinder, namentlich die älteren; sie lassen nichts auf sie kommen. So erfährt man nicht leicht Etwas von dem Leben der Gemeinde. Da es ferner schwer gelingt, einen freiwilligen persönlichen Verkehr zwischen dem Pfarrer und der christenlehrpflichtigen Jugend herzustellen, und dieser Verkehr, auch wenn er bei Einigen gelingt, nach der Art besonders der ländlichen Jugend unter der Verschlossenheit derselben leidet, so sehen wir uns leider in der Regel von der uns für die Seelenpflege der anvertrauten Jugend spezielleren Personalkenntniß abgeschnitten. Wir verlieren die nöthige Fühlung, welche der Lehrer von wegen seiner socialen Näherstellung am Thun und Treiben in der Gemeinde in der Regel behält.

 Deßhalb stellen wir als erste Mitwirkung des Lehrers zur Seelsorge an der anvertrauten Jugend die hin, daß der Lehrer dem Pfarrer mit der Personalkenntniß diene, welche er von der Jugend vermöge seines Berufs und socialen Stellung zu erwerben in der Lage ist. Der Lehrer diene hierin dem Pfarrer, – dieser aber lasse