Seite:Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus 392.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
382 Achtes Buch.


den Kräftigen der Aufenthalt in der Heimat gestattet würde; nur die sollten den heimischen Sitz und die ererbte Wohnstätte behalten, die zur Führung der Waffen oder zum Ackerbau tauglich wären. Als die Antragsteller ihrer Mutter Gamburuk[1] Mitteilung von dem Geschehenen machten, verdammte sie diese Satzung, weil die Urheber dieses frevelhaften Beschlusses Hilfe durch ein Verbrechen gesucht hätten: Befreiung von der Not dürfe nicht durch Mord der Verwandten erkauft werden; es gäbe einen sündlosen Weg, der geistig und körperlich tüchtigen Männern lieber sein müsse: man solle die Männer, die das Vaterland verlassen müssten, durch das Los bestimmen lassen; dann würde man sich nicht gegen die Liebe zu Eltern und Kindern vergehen. Wenn das Los kraftlose Greise träfe, so sollten sich an ihrer Statt kräftigere Männer zum Auszuge erbieten und dessen Last freiwillig anstatt der Schwachen zu tragen auf sich nehmen; die verdienten das Leben nicht, die es sich durch Verbrechen und Frevel erhalten wollten, die es über sich gewönnen, über Eltern und Kinder einen so unbilligen Spruch zu fällen, die nicht Werke der Liebe, sondern der Grausamkeit verüben wollten; alle sündigten gegen das Vaterland, bei denen die Liebe zum eigenen Leben schwerer wiege, als die Liebe zu den Eltern und zu den Kindern. Als dieser Ausspruch vor die Volksversammlung gebracht wurde, da fielen ihm die Meisten mit ihrer Stimme zu. So wurde das Los über aller Geschick geworfen, und, die es traf, wurden aus dem Lande gewiesen. So kam es, dass die, welche freiwillig der Not nicht hatten weichen wollen, nun der Bestimmung des Loses gehorchen mussten. Sie fuhren zunächst nach Blekingen, [285] 285dann an Moringien vorbei und landeten auf der Insel Gotland, wo sie, wie auch Paulus (Diaconus) bezeugt[2], auf Geheiss der Göttin Frig den Namen Langobarden annahmen, welches Volk sie später gebildet haben. Schliesslich wandten sie sich gen Rügen, betraten unter Preisgebung ihrer Schiffe das Festland zur Wanderung, und


  1. Die Namen lauten bei Paulus „Ibor (Eber), Agio (Schrecker), Gambara“.
  2. c. 8 u. 9.
Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 382. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_392.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)