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VIII. Siward, Jarmerik. 371


sei als ein behagliches Sklavenleben und war von dem brennenden Wunsche beseelt, sein Vaterland zu sehen und seine Sippe kennen zu lernen. Da er aber wusste, dass die Königin durch ausreichende Überwachung dafür gesorgt hatte, dass kein Gefangener entwischen konnte, suchte er einen Weg, dahin mit List zu gelangen, wohin er mit Anwendung von Gewalt nicht gelangen konnte. So steckte er in einen aus Binsen und Weidenruten geflochtenen Korb, den die Bauern wie einen Menschen aufputzen, um damit die Vögel zu verscheuchen, einen lebendigen Hund; dem Korbe legte er seine eigenen abgezogenen Kleider an, damit er ganz täuschend wie ein Mensch aussähe. Darauf erbrach er den Privatschatz des Königs und verbarg das ihm entnommene Geld an nur ihm bekannten Orten. [277] 277Inzwischen schaffte Gunno, der die Abwesenheit seines Genossen vertuschen sollte, den Korb in den Königspalast, brachte den Hund zum Bellen, und als die Königin fragte, was das wäre, sagte er, Jarmerik sei verrückt geworden und belle so. Die Königin liess sich wirklich beim Anblicke der Puppe durch die Ähnlichkeit täuschen und hiess den Verrückten aus dem Hause werfen. Darauf legte Gunno die hinausgetragene Puppe ins Bett, gleich als ob sie der wahnsinnig gewordene Genosse sei. In der Nacht aber heiterte er die Wachen an durch fröhliches Mahl und reichlich gespendeten Wein und schlug den Schlafenden die Köpfe ab; diese legte er an die Scham, um ihren Tod noch schimpflicher zu gestalten. Aufgescheucht durch den Lärm eilte die Königin raschen Schrittes an die Thür, um zu sehen, was da wäre. Während sie aber den Kopf unvorsichtig hinaussteckte, wurde sie unversehens vom Schwerte des Gunno durchbohrt. Als sie die Todeswunde fühlend zusammenbrach, wandte sie ihre Augen ihrem Mörder zu und sagte: „Mit keines Truges Schutz würdest Du ungestraft dieses Land verlassen, wenn ich heil hätte leben können“. So ergoss sie sterbend wiederholt Drohungen gegen den Mörder. Darauf steckte Jarmerik mit Gunno, dem Gehilfen bei der herrlichen That, die Zelthalle, in welcher der König das Begängnis des Bruders mit einem Schmause feierte, unbemerkt in Brand,

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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 371. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_381.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)