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VII. Haldan, Rötho. 321


Boden. Mit dieser That weihte er seine zukünftigen Ruhmesthaten ein und wandelte die Verachtung seines vergangenen Lebens zu dem hellsten Glanze des folgenden um. Dieser Vorgang liess die Grösse seiner zukünftigen Kriegsthaten ahnen.

Zu dieser Zeit suchte Rötho, ein russischer Wiking, unser Vaterland mit Raub und grausamer Verwüstung heim. Seine Wildheit war so einzig, dass er, während doch andere die Gefangenen nicht ganz auszogen, [242] 242auch die Teile des Körpers, die sonst sorgfältig verdeckt werden, der Bekleidung zu berauben, nicht für schimpflich hielt. Daher pflegen wir noch jetzt rücksichtslose und grausame Räubereien Röthoran zu benennen. Bisweilen wandte er auch diese Art von Folterung an, dass er den rechten Fuss des zum Tode Bestimmten fest auf die Erde befestigen, den linken an Äste, die zu diesem Zwecke krumm gebogen wurden, anbinden liess; wenn diese dann zurückschnellten, rissen sie die Menschen mitten auseinander. Ihn griff Hano, der König von Fünen, mit Seekräften an, aber während er glänzende Ruhmestitel sich zu erwerben gedachte, musste er nur mit einem Begleiter die Flucht ergreifen. Zu seiner Verhöhnung gewann das Sprichwort Verbreitung: Auf seinem Miste ist der Hahn Meister. Darauf warf sich Borcar dem Rötho entgegen, weil er eine weitere Quälerei seiner Mitbürger nicht mit ansehen konnte. Der Kampf beider brachte beiden das Verhängnis. In derselben Schlacht wurde auch, wie die Sage berichtet, Haldan schwer verwundet und war lange an den erhaltenen Wunden siech; eine war ihm sichtbar in den Mund geschlagen worden, und diese fiel durch ihre Narbe sehr ins Auge: während alle andern unter ärztlicher Behandlung heilten, blieb sie als ein grosses Mal. Den verletzten Teil der Lippe liess nämlich ein hässlicher Auswuchs immer schwären, so dass der eiternde Riss nicht durch Nachwachsen des Fleisches ausgefüllt wurde. Dieser Umstand verhalf ihm zu einem hohnvollen Beinamen, während doch sonst Wunden vorn am Körper nicht Schande, sondern Ruhm bringen. Ein so schlechter Dolmetsch tüchtiger Thaten ist bisweilen der Volksmund.

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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_331.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)