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VII. Hagbarth, Sygne. 307


Frauen also, vollständig uneingedenk ihrer Naturanlage, kannten nur Strenge, keine Liebkosung, drohten mit Schuss, statt mit Kuss, dachten auf blutrünstige Beulen und nicht auf brünstige Mäulchen, kümmerten sich mehr um die Hiebe als um die Liebe, und die Hände, die sie dem Linnengewebe hätten weihen sollen, widmeten sie dem Waffengewerbe; nicht auf die Freuden der Ehe waren sie bedacht, sondern auf das Weh des Todes, und sie griffen die mit der Kampfeslanze an, die sie mit ihrem Schönheitsglanze hätten bezaubern können. Jedoch jetzt von dieser Abschweifung zur Sache zurück.

Im Beginn des Frühjahrs griffen Alf und Alger die Wikingerfahrten wieder auf, fuhren hierhin und dahin übers Meer und stiessen endlich mit hundert Schiffen auf die Söhne des Unterkönigs Hamundus, mit Namen Helwin, Hagbarthus und Hamundus. Es entspann sich ein Kampf; da aber die vom Morde müden Hände das Dunkel der Abenddämmerung trennte, wurden während der Nacht die Streiter genötigt, Waffenruhe zu halten. Am folgenden Tage wurde diese förmlich vertragsmässig bestätigt, da beide Teile in der Schlacht des voraufgehenden Tages so starken Verlust erlitten hatten, dass man gar nicht im stande war, den Kampf wieder aufzunehmen. So zwang die Not die zum Frieden, deren Kräfte gleiche Tapferkeit erschöpft hatte. Zu derselben Zeit warb um Sygne, die Tochter des Sigar, ein Deutscher vornehmen Standes, Hildigisleus, pochend auf seine Schönheit und seinen Adel. [231] 231Bei Sygne aber schuf ihm sein gänzlicher Mangel an Ruhm nur scharfe Verachtung, weil er, selbst der Tüchtigkeit entbehrend, sein Glück bauen zu wollen schien auf die Tapferkeit anderer. Hauptsächlich lenkte sie zur Liebe gegen Hako[1] der begründete Ruf seiner Grossthaten; denn sie achtete mehr auf tapfere Männer, denn auf Weichlinge und bewunderte nicht Glanz der Schönheit, sondern der Thaten; sie wusste, dass alles Blendwerk der schönen Gestalt vor der Tapferkeit in den Staub sinkt, und nichts als gleichwertig mit ihr zusammengestellt werden kann. Es giebt wirklich Mädchen,


  1. d. h. Hagbarth.
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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_317.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)