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302 Siebentes Buch.


eine Tochter von Bettlern aus. Da aber die Mutter des Othar es ihr ansah, dass sie, trotzdem sie blass und abgehungert erschien und mit einem ärmlichen Mantel bekleidet war, von edlen Eltern abstammte, führte sie die Fremde auf den Ehrenplatz und behielt sie in hochachtungsvoller Freundlichkeit bei sich. Denn den Adel der Jungfrau verriet als Kündiger die schöne Gestalt und aus den Gesichtszügen als Dolmetsch ergab sich ihre hohe Abkunft. Als Othar sie sah, fragte er, weshalb sie ihr Antlitz mit dem Kleide verhülle[1].

* * * Um ihre Gesinnung sicher zu erforschen, that er so, als solle eine Frau ihn heiraten; er bestieg mit ihr das Lager und liess Syrith den Leuchter halten. Als die Lichter beinahe heruntergebrannt waren, und sie durch die näher rückende Flamme belästigt wurde, so gab sie ein solches Beispiel von Geduld, dass sie die Hand unbeweglich hielt und keine Qual durch die Hitze zu empfinden schien. Denn die äussere Glut wurde gedämpft durch die innere, und die Hitze des verlangenden Innern mässigte den Brand der versengten Haut. Erst als sie von Othar gemahnt wurde, acht auf ihre Hand zu geben, wendete sie ihre ruhigen Blicke mit schamhaftem Augenaufschlagen auf ihn; sofort wurde das Gaukelspiel der erdichteten Hochzeit beiseite gestossen, und sie bestieg das Ehebett zur Vermählung. Als später Siwald den Othar gefangen nahm und ihn wegen Schändung seiner Tochter aufhängen lassen wollte, da erzählte Syrith sofort die Wechselfälle ihres Raubes und gewann ihm nicht nur die Huld des Königs, sondern bewog auch den Vater, sich mit Othars Schwester zu verheiraten.

Nunmehr erfolgte zwischen Siwald und Regnald eine Schlacht auf Seeland; auf beiden Seiten waren Kämpfer von auserlesener Tapferkeit ausgewählt worden. Drei Tage wurde unter gegenseitigem argen Verluste gekämpft, und da wegen der grossen Tapferkeit beider Seiten die Entscheidung des Sieges ungewiss blieb, stürzte sich Othar, von Überdruss an dem langen Kampfe oder von Streben nach Ruhm gepackt,


  1. Das Fehlen einer Bemerkung, dass sie nicht antwortet und das Folgende zeigt, dass hier eine Lücke im Texte ist.
Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_312.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)