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268 Sechstes Buch.


neugierig musterte und sah, wie er weder lustig um sich blickte, noch vor ihm ehrerbietig aufstand, da merkte er an dem finsteren Gesichtsausdrucke, dass es Starkather war. Denn als er seine von der Kriegsarbeit gehärteten Hände, die Narben auf seiner Brust und den lebendigen, durchdringenden Blick betrachtete, da wusste er, dass der Mann nicht schwächlichen Geistes sei, dessen Körper so grosse Wundenspuren durchfurcht hätten. Er schalt also seine Gemahlin und forderte sie nachdrücklich auf, sie solle ihre hochmütige Aufregung beschwichtigen und dem Manne, dem sie mit Schimpf scharf zugesetzt hatte, gute Worte gönnen und ihn durch zuvorkommende Dienstbeflissenheit versöhnlich stimmen; sie solle ihn durch Speise und Trank erquicken und durch freundliche Ansprache aufrichten; denn der Mann sei ihm einst von seinem Vater zum Vormunde bestellt gewesen und sei seiner Kindheit hingebendster Wächter gewesen. Da verkehrte sie, als sie, leider zu spät, die Bedeutung des Alten kennen lernte, ihre Strenge in Milde und ehrte nun den Mann, den sie zurückgesetzt hatte, den sie mit bitterem Schmähworte tief gekränkt hatte, mit eifriger Bedienung, und aus einer ärgerlichen Hausherrin wurde sie eine äusserst entgegenkommende Schmeichlerin; [201] 201sie wünschte ihre Aufmerksamkeit seinem Unwillen zur Abwehr entgegenzustellen, vielleicht deswegen weniger zu tadeln wegen ihres Fehlgriffes, weil sie ihn auf Zurechtweisung schnell fallen liess. Und doch büsste sie nicht leicht dafür, da sie die Räume, in denen sie den tapfern Alten durch Wegweisen von seinem Platze tief gekränkt hatte, nachher durch die Niedermetzelung ihrer Brüder blutig gefärbt sah.

Am Abend aber, als Ingell die Mahlzeit mit den Söhnen des Swerting einnahm, bestand sie auf den feinsten Speisen, liess die Tische mit einem verschwenderischen Mahle belasten und hielt den Alten mit freundschaftlicher Einladung fest, dass er sich nicht vorzeitig dem Gelage entzöge, gleich als ob die Leckereien eines mühsam bereiteten Mahles den festen Ernst der Tapferkeit untergraben könnten. Als Starkather nur seine Augen auf sie gerichtet, wies er dieser

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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_278.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)