Seite:Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus 277.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
VI. Ingell, Starkather. 267


beanlagter Jüngling ganz vergass, dass er der Sohn eines berühmten Vaters war. Als er von den ihm Begegnenden gefragt wurde, was er da für eine sonderbare Last trüge, antwortete er, er wolle mit den Kohlen den stumpfen Sinn des Königs Ingell scharf machen. Und so vollendete er auf einem kürzeren Richtwege wie in einem Atem einen reissend raschen Marsch, [200] 200und als er am Ende bei Ingell einkehrte, erstieg er nach seiner Gewohnheit den für die Vornehmen bestimmten Sitz; denn bei den Königen der früheren Zeit hatte er stets den obersten Ehrenplatz eingenommen. Als die Königin eintrat und ihn struppig in schmutzigen Bauernlappen sitzen sah, schenkte sie dem Fremden wegen seines hässlichen Aufzuges nur geringe Beachtung, und den Mann nach dem Kleide schätzend fuhr sie ihn an als einen Narren, dass er sich eher gesetzt, als die Grossen und sich einen Sitz angemasst habe, der seinem Bauernanzuge nicht zukomme; sie hiess ihn den Platz räumen, damit er nicht die Polster mit seinen über alle Begriffe schmutzigen Kleidern besudele. Denn was bei jenem Ausfluss des Selbstbewusstseins war, das legte sie als dummdreiste Unverschämtheit aus, weil sie nicht wusste, dass auf dem hohen Sitze der Sinn viel heller leuchtet als das Kleid. Es gehorchte der mutvolle Greis, obwohl ärgerlich über die Zurücksetzung und unterdrückte seine Erregung über die Schmach, die seine Tapferkeit nicht verdiente, mit vorzüglicher Selbstbeherrschung; mit keinem Worte und mit keinem Seufzer begleitete er die ihm angethane Beschimpfung. Vollständig konnte er jedoch die geheime Schärfe seines Ärgers nicht verbergen: als er aufstand und nach dem unteren Ende der Halle schritt, da erschütterte er beim Niedersitzen durch seine Wucht die starke Wand so sehr, dass die Balken stark zitterten, und er beinahe das Dach zum Einsturze brachte. So kam es, dass er, gereizt durch die Zurücksetzung nicht allein, sondern auch durch die Schmach der ihm vorgerückten Ärmlichkeit, seinem Zorne gegenüber den schmähenden Worten der Königin in unbezähmbarer Schärfe freie Bahn liess.

Als Ingell, von der Jagd zurückkommend, den Fremden

Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 267. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_277.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)