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V. Frotho III., Erik. 211


Jede von diesen hinwieder sah zwanzig hinter sich wehen;
Gleich diesen Fahnen an Zahl schritten die Führer einher.

Als nun Frotho fragte, was er gegenüber solcher Zahl ins Feld stellen solle, gab Erik den Rat, umzukehren und den Feind erst an seiner eigenen Grösse sich aufreiben zu lassen. Die Mahnung wurde befolgt; denn der Vorschlag wurde mit gleich grossem Eifer gut geheissen, wie er gegeben worden war. Als die Hunnen durch unwegsames Land und Einöde vorrückten, nirgend Lebensmittel fanden, fingen sie an haufenweise dem Hunger zu erliegen. Denn die Gegend war wüst und sumpfig, und es war keine Hilfe gegen die Not zu finden. Schliesslich, als sogar das Zugvieh geschlachtet und verzehrt war, verliefen sie sich ohne Wagen und Lebensunterhalt. Jedoch die Irrfahrt war eben so gefahrbringend wie der Hunger. Man schonte weder Pferd noch Esel, sogar faulendes und verwesendes wird gegessen; zuletzt verschonte man nicht einmal die Hunde; jeder Greuel erschien den Sterbenden als erlaubt. [158] 158Denn nichts ist so hart, dass nicht dazu die äusserste Not triebe. Schliesslich kam ein allgemeines Sterben über die von Hunger Erschöpften; unaufhörlich wurden Leichen bestattet, und da alle das Ende fürchteten, hatte keiner Mitleid mit den Sterbenden. Das menschliche Gefühl war in der Furcht untergegangen. So fielen denn allmählich zunächst einzelne Haufen vom Könige ab, dann verlief sich die Menge abteilungsweise. Es liess ihn auch der Seher Uggerus[1] im Stiche; dessen Alter wusste man nicht, jedenfalls aber ging es über die den Menschen gesetzte Grenze hinaus; er kam zu Frotho als Überläufer und verriet ihm das ganze Vorhaben der Hunnen.

Inzwischen kam Hithinus, der König eines bedeutenden norwegischen Stammes zu Frothos Flotte mit 150 Schiffen. Aus diesen wählte er zwölf aus und segelte näher, indem er durch einen am Maste erhobenen Schild das Zeichen gab, dass Freunde herankämen. Er wurde von dem Könige unter die vertrautesten Freunde eingereiht und brachte dessen


  1. An. Yggr = der Schrecker, ein Beiname Odins.
Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_221.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)