Seite:Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus 176.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
166 Fünftes Buch.


nicht, dass königliche Hoheit sich dem zu gleichem Kampfe stelle, der tief unter ihr stehe; es gehöre sich nicht, die in gleichem Kampfe sich gegenüber zu stellen, die an Würde ungleich seien. Jedoch Westmar liess in seinem Drängen zum Kampfe nicht nach und wurde schliesslich darauf verwiesen, den Sinn der Jungfrau selbst zu erforschen, weil die Alten bei der Wahl des Mannes den Töchtern volle Freiheit zu lassen pflegten; der König schwankte nämlich zwischen Furcht vor dem Kampfe und Schamgefühl in ängstlichem Zagen hin und her, ohne zu einem festen Entschlusse zu kommen. So wurde Westmar auf die Herzensansicht des Mädchens verwiesen. Er wusste, dass alle Frauen wetterwendischen Sinnes und also auch wechselnden Entschlusses sind; daher ging er mit grosser Zuversicht ans Werk, weil Erfahrung ihn gelehrt hatte, [125] 125dass die Neigungen der Jungfrauen sehr veränderlich sind. Auch die Erwägung hob noch sein Vertrauen zu seinem Geschäfte und brachte seinem Eifer Hoffnung, dass die Unerfahrenheit der Jungfrau, die nur auf ihr eigenes Urteil angewiesen war, und die Selbständigkeit der Frau, die er mit feinen Schmeicheleien ködern würde, leicht von dem einen Entschlusse abzubringen und rasch zum Eingehen auf einen andern zu bestimmen sei. Der Vater aber ging den Gesandten auf dem Fusse nach, um den Willen seiner Tochter sicher zu sehen. Da nun die Jungfrau durch die geheime Wirkung des Liebestrankes zur Liebe gegen ihren Freier geführt war, so erklärte sie, über die geistigen Gaben des Frotho habe sie zwar keine Gewissheit durch die Kunde, aber doch frohe Erwartung, da er ja sein Geschlecht von einem erlauchten Vater herleite, und jedes Geschöpf seinem Ursprunge zu entsprechen pflege. So sei ihr denn der Mann genehm nicht wegen des Ruhmes, den er schon besitze, sondern des, der ihm sicher sei. Der Vater war zwar über diese Antwort sehr erstaunt, wollte aber die der Tochter überlassene freie Wahl nicht widerrufen und versprach sie dem Frotho zur Ehe. Nun wurde genügender Mundvorrat besorgt, er nahm die Tochter und eilte in prächtiger Ausrüstung, gefolgt von den Gesandten, nach Dänemark, in dem Gedanken, dass

Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_176.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)