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162 Fünftes Buch.


Frau konnte niemand niederkämpfen, denn sie entlieh ihre Speere von der Zunge. Die einen brachte sie mit ihrem reichen Vorrate von frechen Worten zum Schweigen, die andern verwickelte sie so zu sagen in das Netz ihrer Wortzweideutigkeiten und that sie ab mit den Schlingen ihrer Trugschlüsse. So lebendig war der Geist der Frau. Dazu schaltete sie frei darin, Abmachungen zu treffen und aufzuheben, [122] 122die Macht zu beiden verlieh ihr eben der Stachel ihrer Zunge; sie verstand also, Verträge zu lösen und zu binden: für beides erwies sich ihre Zunge als gleich geeignetes Werkzeug.

Zwölf Söhne hatte Westmar, von denen drei den Namen Grep führten. Diese waren zugleich empfangen, und ein und dieselbe Geburt hatte sie zur Welt gefördert, die Gleichheit der Entstehung wiesen sie noch in dem gemeinsamen Namen auf. Sie besassen aussergewöhnliche Gewandtheit im Faust- und Schwertkampfe. [Auch hatte Frotho dem Hoddo die Gewalt zur See übertragen, er war der nächste Verwandte des Königs.] Kolo erfreute sich des Besitzes von drei Söhnen. [Zu der Zeit hatte ein Bruderssohn des Frotho das Kommando zur See zum Schutze des Landes[1]]. Gunwara war die Schwester des Königs; sie hiess wegen ihrer ausnehmenden Anmut „die Schöne“. Die Söhne des Westmar und Kolo, jung an Alter und hitzig an Sinn, wie sie waren, wandelten das Gefühl ihrer Kraft zu Frechheit um, lenkten ihren durch Schandthaten befleckten Sinn auf schlimme und verworfene Gewohnheiten. So unverschämt und unbändig traten sie auf, dass sie anderer Bräute und Töchter entehrten und die Keuschheit zu ächten und in das Hurenhaus zu verweisen schienen. Sie beschmutzten auch das Bett von Frauen und liessen auch das Lager von Jungfrauen nicht unangetastet. Keines Ehebett war sicher vor Befleckung, und jeder Ort im ganzen Lande hatte die Spuren ihrer Lüste aufzuweisen. Die Männer wurden von der Furcht gequält, die Weiber mit Misshandlung ihres Leibes. Die Schandthaten fanden willige


  1. Die eingeklammerten Worte rühren offenbar nicht von Saxo her.
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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_172.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)