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136 Viertes Buch.


und die (erzwungene) Ehe der Mutter zu rächen, sondern auch das Reich des Mannes, von dem er so viele Anfeindungen habe erfahren müssen, durch vorzügliche Thaten der Tapferkeit an sich gebracht habe. Deshalb finde sie es unbegreiflich, wie ein so kluger Mann sich zu einem Fehlgriffe bezüglich der Verheiratung habe verleiten lassen können; während er beinahe über das menschliche Mass hinaus berühmt geworden, habe er sich zu einem unedlen und gemeinen Ehebunde herabgelassen: seine Gemahlin habe ja Unfreie zu Eltern, obwohl sie das Glück mit königlichen Ehren geschmückt habe. Beim Eingehen einer Ehe dürfe ein verständiger Mann nicht auf blendende Schönheit, sondern auf edle Abkunft sehen. Wenn er also eine passende Verbindung wünsche, so müsse er die Sippe ansehen und sich nicht durch ein schönes Gesicht fangen lassen; ein solches rege zwar die Begierde an, habe aber schon vieler Ehre mit seinem eitelen, falschen Scheine vernichtet. Es gäbe aber eine Frau, die ihm an Adel gleichstünde, die er nehmen könne. Sie selbst sei die geeignete Frau für ihn, da sie nicht arm an Besitz, noch von niederer Herkunft sei; sie besitze eben so grossen königlichen Schatz wie er und erfreue sich einer eben so glänzenden Reihe von Ahnen. Sie sei ja Königin, und wenn nicht ihr Geschlecht im Wege stünde, könne sie als König angesehen werden, ja, was richtiger sei, wen sie ihres Beilagers würdige, der werde König, und mit ihrer Umarmung schenke sie Königswürde. So entspreche der Ehe das Scepter und dem Scepter die Ehe. Es sei auch kein geringes Entgegenkommen, wenn sie von freien Stücken ihre Hand anbiete, die bei anderen Männern auf eine Werbung mit einer Abweisung durch das Schwert geantwortet habe. Sie beschwor ihn also, sein Wohlgefallen auf sie zu übertragen, auf sie den Wunsch nach einer ehelichen Verbindung zu lenken und zu lernen, vornehme Geburt höher zu stellen als eine schöne Gestalt. Mit diesen Worten umschlang sie ihn leidenschaftlich.

Hingerissen von ihrer freundlichen Ansprache erwiderte Amleth die Küsse, vergalt Umarmung mit enger Umarmung

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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_146.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)