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IV. Amleth. 129

 geliehen hättet, wenn ich Euch gebeten hätte, die Ihr ja ohne Zweifel dem Könige die Treue, dem Fürsten Euer Wohlwollen bewahrt habt; allein ich habe die Ruchlosen bestrafen wollen, ohne Euch in Gefahr zu bringen; nicht auf anderer Schultern wollte ich die That legen, zu deren Durchführung ich die meinigen für ausreichend hielt. Die andern habe ich zu Asche verbrannt, die Leiche des Fengo allein habe ich Euren Händen zum Verbrennen überlassen; damit wenigstens solltet Ihr den berechtigten Wunsch nach einer Rache erfüllen. Eilt hurtig herzu, errichtet den Scheiterhaufen, verbrennt die verruchte Leiche, lasst die frevelhaften Glieder schmoren, zerstreut die schuldbeladene Asche, werft den unholden Staub auseinander; keine Urne, kein Grabhügel möge die ruchlosen Reste seiner Gebeine umschliessen. Keine Spur des argen Mordes bleibe, kein Raum sei für die befleckten Glieder im Vaterlande, keinem möge ihre Nachbarschaft Ansteckung drohen: nicht das Meer, nicht die Erde soll befleckt werden durch die Aufnahme des verfluchten Leichnams. Alles andere habe ich gethan, dieses allein ist Euch als Pflicht der Liebe vorbehalten. Mit solchem Begängnisse ist der Tyrann zu ehren, das sei der Leichenzug für den Mörder. Aber es darf auch dessen Asche nicht vom Lande der Heimat bedeckt werden, der dem Vaterlande die Freiheit genommen hat. Was aber soll ich meine Leiden vor Euch entrollen, meine Not durchgehen, mein Elend wiederholen? Ihr kennt ja das alles völliger als ich. Vom Stiefvater mit dem Tode bedroht, von der Mutter verachtet, von den Freunden verspottet, habe ich meine Jahre kläglich zugebracht, meine Tage elend verlebt, meine immer unsichere Lebenszeit war voller Gefahren und Furcht; [99] 99kurz, mein jetziges Alter habe ich erreicht elend unter voller Missgunst des Geschicks. Oft habt Ihr mit stillen Klagen in Eurem Innern beseufzt, dass ich des Sinnes bar sei: es fehle dem Vater ein Rächer, dem Morde ein Sühner. Das war mir ein verborgenes Anzeichen Eurer Liebe, in Eurem Herzen sah ich ja die Erinnerung an die Ermordung des Königs noch nicht erloschen. Wessen Herz also ist so hart, wessen Sinn so

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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_139.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)