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III. Amleth. 119

 klatschte; dann aber trat er auf das Stroh und sprang darauf hin und her, um zu erfahren, ob sich etwas darunter verberge. Als er nun unter seinen Füssen einen festen Gegenstand fühlte, da stiess er dort sein Schwert ein, traf den unten Liegenden, holte ihn aus seinem Verstecke herauf und stach ihn tot. Seinen Körper zerhackte er in Stücke, kochte sie mit siedendem Wasser, schüttete sie in die Öffnung des Abtritts den Schweinen zum Frasse hin und liess über die armen Glieder den faulen Kot sich ergiessen. Nachdem er so die List vereitelt, kehrte er in das Gemach zurück. Als nun die Mutter mit lauter Schmerzensklage die geistige Beschränktheit ihres Sohnes beweinte, da sagte er: „Was haschest Du, verworfenste der Frauen, mit Deinem heuchlerischen Jammer nach einem Deckmantel für Dein ruchloses Verbrechen? Lüstern wie eine Hure bist Du auf eine sündhafte und verfluchte Partie eingegangen, umarmst mit Deinem Busen in Blutschande den Mörder Deines Gemahls und schmeichelst dem mit ekelhaftem Kosewort, der den Vater Deines Sohnes erschlagen hat. So paaren sich Stuten mit den Besiegern ihrer Hengste; in der Natur der verstandlosen Tiere liegt es, immerfort zu andern geschlechtlichen Verbindungen sich treiben zu lassen; [92] 92so wie diese hast Du die Erinnerung an Deinen ersten Mann verloren gehen lassen. Ich aber trage nicht zwecklos das Aussehen eines Narren, denn ich bin gewiss, dass der, der den Bruder erschlagen konnte, auch gegen andere Verwandte mit gleicher Grausamkeit wüten wird. Deshalb ist es besser, dass ich mich thöricht stelle, als dass ich meinen gesunden Verstand zeige, und dass ich einen Schutz für mein Leben in anscheinend völligem Wahnwitz suche. In meinem Herzen lebt mir immer das Streben, den Vater zu rächen, aber ich lauere auf günstige Umstände, ich warte auf eine geeignete Zeit. Nicht jede Gelegenheit passt für ein jedes Vorhaben; einem versteckten und erbarmungslosen Sinne gegenüber muss man mit grösserer Überlegung vorgehen. Du aber hast nicht nötig, meine Narrheit zu bejammern; Du müsstest mit mehr Recht Deine Schande beklagen; nicht an einem Andern musst Du einen geistigen

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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_129.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)