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III. Amleth. 117


 Unruhig gemacht durch die Vermutung eines Anschlags nahm er, um mit mehr Sicherheit den gewünschten Genuss zu haben, das Mädchen in seine Arme und schleppte sie weit fort in einen unwegsamen Sumpf. Als er den Beischlaf vollzogen, beschwor er sie feierlich, niemand den Vorgang zu verraten. Mit gleichem Eifer wurde Stillschweigen erbeten und versprochen; denn die ehemalige gemeinschaftliche Erziehung machte den Amleth dem Mädchen sehr vertraut, da beide dieselben Pfleger in der Kindheit gehabt hatten.

Als er nun wieder nach Hause geleitet wurde, und alle ihn fragten, ob er dem Liebesspiele gehuldigt, da sagte er ohne Hehl, dass ein Mädchen von ihm beschlafen sei: als er weiter gefragt wurde, wo er die Sache gemacht, und was er als Lager benutzt habe, da sagte er, er habe gelegen auf dem Hufe eines Zugtieres, auf dem Kamme eines Hahns und auf dem Gesperre eines Daches; von dem allen hatte er nämlich Stückchen gesammelt, als er zu der Versuchung aufbrach, um nicht lügen zu müssen[1]. Diese Worte wurden von den Umstehenden mit lautem Gelächter aufgenommen, obgleich er im Scherze gar nichts von dem wirklichen Vorgange hinweggenommen hatte. Auch das Mädchen, darüber befragt, sagte, er habe nichts derartiges vorgenommen. Dem Leugnen wurde Glauben geschenkt und zwar um so bereitwilliger, als die Mannen ja nichts von dem Geschehenen wussten. Da sagte der, welcher die Bremse gezeichnet hatte, um ihm eine Andeutung zu geben, dass Amleth sein Leben einem schlauen Kunstgriffe von ihm verdanke, dass er sich jüngst ausserordentlich sorglich um ihn bemüht habe. Nicht ungeschickt war die Erwiderung des Jünglings: damit es nämlich nicht scheine, als ob er das Verdienst des Warners gering schätze, erzählte er, er habe etwas Stroh tragendes gesehen, was auf schnellen Flügeln herangeglitten sei und einen an seinem Hinterleibe befestigten Strohhalm getragen habe. Dieses


  1. Die Erzählung meint nach Axel Olrik [Kilderne til Sakses Oldhistorie II, Norröne Sagaer og Danske Sagn 1894, Köbenhavn] S. 160 Huflattich (tussilago), Hahnenkamm (alectorolophus) und Schilfrohr; Saxo hat das nicht mehr verstanden.
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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_127.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)