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104 Drittes Buch.


fremde Schuld verwickelt, unschuldig durch die Schuld des Schuldigen gestraft würden. Sie sahen nämlich, dass bei denen, die sie verlockt hatten, ihnen göttliche Ehren zu erweisen, als das schimpfliche Verhalten des Obergotts bekannt wurde, die Ergebenheit sich in Verachtung, die Verehrung in Schamröte verwandelte, Opfer als Tempelschändung betrachtet, herkömmliche feierliche Gebräuche als kindische Faseleien bezeichnet wurden. Die Vernichtung stand ihnen vor Augen, die Furcht im Herzen, und man hätte glauben können, dass auf aller Haupt die Schuld eines Einzigen falle. Sie straften ihn also mit Verbannung, damit nicht durch seine Schuld die Religion ganz schwinde und wählten an seine Statt einen gewissen Ollerus, nicht allein zur Nachfolge in der Herrschaft, sondern auch in der Göttlichkeit, gleich als ob es das Gleiche wäre, Götter und Könige zu wählen. Obgleich sie ihn nur in Stellvertretung zum Obergott gewählt hatten, so beschenkten sie ihn doch mit der vollen Ehre der Stellung: er sollte nicht als Verweser eines fremden Amtes, sondern als gesetzlicher Nachfolger in der Würde dastehen. Damit nichts in der Hoheit ihm fehle, gaben sie ihm auch den Namen Othin: durch den beliebten Namen wollten sie das Gehässige der Neuerung ausschliessen. Ungefähr zehn Jahre lang führte er die Leitung der Götter, da schien endlich Othin den Göttern, die die Härte seiner Verbannung bemitleideten, genug der schweren Strafe getragen zu haben, und er vertauschte nun wieder seine hässliche Erniedrigung mit der früheren glänzenden Stellung; die Rüge ob seiner früheren schlechten Aufführung hatte die lange Zeit vergessen lassen. Einige sagten doch, dass er es nicht verdiene, in seine verlorene Würde wieder einzutreten, weil er durch seine Schauspielerkünste und Übernahme von Weiberdienst dem göttlichen Namen einen hässlichen Schimpf zugefügt habe. Gewisse Quellen berichten, er habe die Götter teils durch Kriecherei, teils durch Geschenke bestochen und den Besitz der verlorenen Majestät durch Geld erkauft und habe sich die Rückkehr zu den Ehren, die er schon lange verloren hatte, durch Aufwendung einer grossen Summe verschafft.

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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_114.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)