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III. Othin. 103

 schnell wie möglich entgegen zu wirken, ein Trank aus Kräutersäften angewendet werden; der müsse aber so scharf zugerichtet werden, dass das Mädchen die kräftige Kur nicht aushalten könne, wenn sie sich nicht binden liesse; denn aus den innersten Fibern müsse der Krankheitsstoff herausgetrieben werden. Als der Vater das vernahm, liess er unverzüglich die Tochter binden und hiess sie, auf das Bett gelegt, alles geduldig aushalten, was der Arzt über sie verhänge; es täuschte ihn der Schein der Weiberkleidung, die der Alte benutzte, um seine zäh festgehaltene böse Absicht zu verschleiern; dieser Umstand machte es möglich, den Schein der Heilung zu einer Schändung zu benutzen. Der Arzt nämlich nutzte die Gelegenheit zum Liebesgenusse, liess den Heildienst bei Seite und eilte erst zur Ausübung seiner Lust und dann erst zur Vertreibung des Fiebers, indem er so die Krankheit der Jungfrau benutzte, von der er in ihren gesunden Tagen nur Feindschaft erfahren hatte. Ich will auch noch eine andere Meinung von der Sache anführen: einige behaupten nämlich, der König habe den Arzt heimlich seine Tochter beschlafen lassen, damit er den wohlverdienten Mann nicht um den gebührenden Lohn bringe, als er gesehen, dass der Liebeskranke mit seiner grossen geistigen und körperlichen Anstrengung nichts ausrichte; so geht ja wohl einmal ein Vater in Lieblosigkeit gegen das Kind vor, wenn eine heftige Leidenschaft die aus dem natürlichen Bande fliessende Milde in den Hintergrund treten lässt. Diesem Fehltritte folgte schamvolle Reue, als die Tochter einen Sohn gebar.

Die Götter aber, die ihren Hauptsitz in Byzanz hatten, beschlossen den Othin [81] 81aus ihrem Kreise zu verstossen, weil sie sahen, wie er den erhabenen Glanz seiner Göttlichkeit mit verschiedenen die Würde schmälernden Makeln befleckt hatte; und nicht allein aus seiner Stellung als Oberhaupt entfernten sie ihn, sondern sie nahmen ihm auch jede gewohnte Ehre und jedes Opfer und wiesen ihn ins Elend; sie hielten es für geratener, dass die Macht ihres schmachbedeckten Vorstehers abgeschafft, als dass die Würde der Religion entweiht würde, damit nicht auch sie, in eine

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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_113.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)