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102 Drittes Buch.


konnten sie das Aussehen von jedem beliebigen Alter annehmen. Daher pflegte der Alte unter den gewandtesten Reitern feurig einherzugaloppieren, um eine schöne Probe von seiner Kunst zur Augenweide zu geben. Aber auch durch solche That liess sich die Härte des Sinnes der Jungfrau nicht erweichen; denn schwerlich söhnt sich das Herz mit dem aufrichtig aus, den es einmal gründlich gehasst hat. Als er ihr beim Abschiede einen Kuss aufdringen wollte, wurde er von ihr so kräftig zurückgestossen, dass er taumelnd mit dem Kinne auf die Erde stiess. Da berührte er sie mit einer Baumrinde, in die Zaubersprüche eingeschnitten waren und machte sie einer Rasenden gleich; so strafte er mit immerhin mässiger Rache die wiederholte schmähliche Behandlung.

[80] 80Auch jetzt verzichtete er nicht darauf seinen Vorsatz durchzuführen (denn das Vertrauen auf seine göttliche Hoheit hatte seine Hoffnung geschwellt), legte Mädchenkleider an, und zum vierten Male suchte er als unermüdlicher Wanderer den König auf; von ihm aufgenommen zeigte er sich dienstbereit bis zur Aufdringlichkeit; da er ganz wie ein Weib gekleidet war, wurde er allgemein für eine Frau gehalten; er nannte sich Wecha (Vetka = Zauberin) und gab sich für eine heilkundige Frau aus; die vorgegebene Kunst empfahl er auch durch bereite Dienste. Schliesslich wurde er unter die Dienerschaft der Königin aufgenommen und spielte die Magd der Tochter. Er wusch ihr auch gewöhnlich am Abend den Schmutz von den Füssen; wenn er nun den Füssen das Wasser reichte, so konnte er auch die Waden und die Schenkel hoch hinauf berühren. Jedoch da das Glück mit wechselndem Schritte schreitet, so stellte ein Zufall bereit, was mit List nicht erreichbar war. Es begab sich nämlich, dass das Mädchen krank wurde und nun, wo man sich nach Heilmitteln für die Krankheit umsah, zur Wiederherstellung der Gesundheit die Hände herbeirief, die sie vorher schroff zurückgestossen und den Mann als Retter suchte, den sie immer mit Widerwillen weggewiesen hatte. Er untersuchte sorgfältig, wo der Schmerz sass, und erklärte, es müsse, um der Krankheit so

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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_112.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)