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80 Zweites Buch.


[62] 62Uns doch, die wir den König in besserer Treue verehren,
Schliessend uns fest zum Keile zusammen, in sicheren Zügen
Ordnend die Reihen, uns lasst, wo der König befiehlet, ihm folgen,
Er, der den Rörik erlegte, den Sohn jenes geizigen Bokus

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Und in den Tod ihn sandte, den Mann mit dem Herzen des Feiglings.

Reich war der an Besitz, doch arm in der Kunst der Verwendung,
Nicht gab Macht ihm der rühmliche Sinn, nur schmählicher Reichtum;
Gold galt mehr ihm als Treue der Mannen, nur immer nach Golde
Jagt’ er und häufte, des Ruhmes entbehrend, gewaltige Haufen

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Goldes und schätzt es gering, sich edle Genossen zu sammeln.

Aber als über ihn kam im Kriegszug die Flotte des Rolwo,
Da hiess Gold aus den Truhen er nehmen und tragen die Diener
Hin vor die Stadt und zur Schau vor den Schwellen der Thore es hinstreun,
Nicht auf den Kampf, nur auf Gaben bedacht, denn bar der Gefolgschaft

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Dacht’ er den Feind zu bestehn mit Geschenken und nicht mit den Waffen,

Gleich als ob er allein mit dem Reichtum kämpfen, mit Gütern,
Nicht mit der Hilfe der Männer den Streit ausfechten er könne.
Also erschloss er die Truhen, die schweren, und löste die Schlösser,
Brachte gewundene Spangen hervor und beladene Kasten,

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Förderer seines Geschicks; er Thor! an Golde der reichste,

Arm an Streitern; so liess er den Fremden zum Raube die Schätze,
Schätze, die heimischen Freunden er stets sich scheute zu spenden.
Er, der nie einen Ring gern gab, nun musst’ er gezwungen
Hinstreun Lasten von Gold als Plündrer gehüteten Haufens.

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Klüglich verachtete ihn mit all seinen Gaben der König

Schatz ihm nehmend und Leben zugleich, nichts nützte dem Feinde
Kraftloses Erz, das gierig im Laufe der Jahre er häufte.
Über ihn kam nun der treffliche Rolwo, er nahm des Erschlagnen
Schätze und teilte sie aus ganz unter das werte Gefolge,

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Alles, was geizige Hand in so viel Jahren gesammelt;

Brach in das Lager, das Gold nur zeigte, nicht tapfere Männer,
Bot einen herrlichen Fang kampflos seinen lieben Genossen.
Nichts war schön seinen Augen, er schenkte den Freunden es neidlos,
Nichts war ihm lieb, er gabs den Genossen; den Reichtum der Asche

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Stellte er gleich, denn er mass nicht nach Golde die Jahre, nach Ruhm nur.

Wenn[1] dieser König nunmehr in ruhmvollem Tode dahinsinkt,
Dann hat er herrliche Tage gelebt, ein glanzvolles Schicksal


  1. So (bedingend) ist iam functum zu fassen; damit ist die Schwierigkeit gehoben, die darin liegt, dass der König noch später lebend zu denken ist.
Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_090.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)