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II. Rolf. 79


Welch wahnwitzig Verlangen, dem Herrn und den Dänen zum Schaden,
Trieb Dich zu frevelem Thun und zu Schandthat? sage, woher kam

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Treubruch Dir in den Sinn, auf trugvollem Grunde gebauet?

Doch, wozu säum’ ich? schon haben das letzte Mahl wir gekostet,
Nun ist verloren[1] der König, es nahet der Stadt das Verderben;
Auf ging uns allen der letzte der Tage, wenn nicht ein so grosser
Feigling unter uns lebt, der sich scheuet dem Hieb sich zu stellen,

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Oder ein kraftloser Mann, so schwach, dass er seinem Gebieter

Nicht wagt Rächer zu sein und das Ehrgefühl bannt aus dem Herzen.

Du auch erheb Dich vom Lager und zeige das schneeige Antlitz,
Ruta, und eil’ in den Kampf, hervor aus Deinem Verstecke;
Blutbad ruft Dich heraus, schon bebt der Palast von den Kämpfen,

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Und vom gewaltigen Lärme des Streites erhallen die Pforten;

Panzer zerschneidet das Schwert, durchschlagen sind Ringe und Bänder,
Schutzlos stehet die Brust nun offen den scharfen Geschossen;
Schon haben riesige Beile den Schild des Königs zerschlagen,
Laut schon klingen die Schwerter, die langen, es krachet die Streitaxt

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Tief in die Schultern geschlagen, die Brust unserer Männer zerspaltend.

Was doch zaget das Herz? was erstumpfet das Schwert in der Scheide?
Leer ist die Pforte der Unsern, erfüllt vom Gewimmel des Feindes.

Als Hialto unter gewaltigem Morden einen blutigen Kampf gekämpft hatte, kam er zum dritten Male an das Gemach des Biarko, und da er glaubte, dass dieser aus Furcht die Ruhe suche, so warf er ihm in folgenden Worten Feigheit vor:

Biarko, warum bist Du fern? Hält Schlummer Dich fest in den Banden?
Sage, was säumst Du so lang? komm heraus oder brenne im Feuer!
Wähle das bessere Teil! Auf, eile mit mir auf den Kampfplatz!

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Bären ja scheucht man zurück mit dem Brand; lasst leuchten die Flamme

Auf vom Palast, und zuvörderst ergreife das Feuer die Pfosten.
Schleudert das brennende Scheit in des Hauses Gemächer, es biete
Nahrung der Flamme das stürzende Dach und dem wachsenden Feuer.
Recht ist es Brände zu werfen auf pflichtvergessene[2] Thore.


  1. Nicht „er ist gefallen“, denn er lebt noch am Schlusse des Gedichts (perit); vgl. 6236.
  2. eigentlich; „verdammte“, weil sie dem Feinde den Zutritt nicht gewehrt haben; daher auch die bessere Treue im folgenden Verse.
Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_089.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)