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78 Zweites Buch.


Nicht, nur nach heiteren Tagen verlangen, die trüben verwünschen,
Nicht, einem harten Geschick vorziehen die glücklichen Stunden;

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Nehmen wir beides Geschick mit der gleichen Ergebung, ihr Edle!

Lenke nicht Glück unser Thun, denn es ziemt sich, in gleicher Gesinnung
Freude wie Leid zu empfangen, uns ziemt es, die traurigen Jahre
Tragen mit gleichem Gesicht, mit dem wir die süssen gekostet.
Alles, was einst wir versprochen beim Becher mit trunkenem Munde,

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Woll’n wir erfüllen mit tapferem Sinne und all die Gelübde,

Die wir einst schwuren bei Zeus und den mächtigen Göttern des Himmels.
Mir ist der erste der Dänen mein Herr; ihm eile zu Hilfe,
Wer zu den Wackern sich zählt; fort, fort von hier weichet, ihr Feigen!
Tapferer, standhafter Mann ist uns not, nicht schlauer Berechner,

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Nicht des erschrecklichen Kriegs Ausrüstung fürchtender Feigling.

Ruht doch die Stärke des Führers so oft in den Scharen der Mannen:
Drängt um den Führer sich dicht ein tüchtiger Haufe des Adels,
Sicherer schreitet alsdann seines Siegs auf die Walstatt der König.
Männer! ergreifet die Waffen mit kampfesfreudigen Händen,

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Leget die Faust an den Knauf eures Schwertes und fasset den Schild fest,

Stürzt in die Reihen des Feindes, und keiner erbleiche vor Wunden,
Niemand biete den Rücken dem Feinde zu schmachvollen Streichen,
Niemand fühle im Nacken das Schwert; kampffreudige Helden
Müssen die Brust stets bieten den Hieben. Es kämpfen die Adler

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Stirn gegen Stirn, sie bedräun sich im Kampf mit gierigen Schnäbeln

Brust gegen Brust. Auf Männer! auf, gleichet dem Bilde des Adlers!
Bietet die Brust nur dem Feind, mit der Brust nur empfanget die Wunden!
Siehe, es dränget heran mit frechem Vertrauen der Feind schon,
– Eisen ihm decket die Glieder, das Antlitz der goldene Schlachthelm –

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Stürzet herein in die Scharen, als sei er gewiss schon des Sieges,

Könne nicht fliehen in Furcht, vor jeglichem Schwerte gefeiet.
Wehe, ach weh! es verachten die Schweden im Stolze uns Dänen,
Siehe mit blitzendem Auge die Goten und trotzigem Blicke
Dringen auf uns, auf dem Helme den Busch, mit den dröhnenden Lanzen,
Lassen der unseren Blut hinfliessen aus Wunden in Strömen.
[61] 61Schwingen das Schwert und die Axt, die frisch mit dem Wetzstein geschärfte.
Was soll, Hiarthwar, ich sagen? Dir hat mit schädlichem Rathschlag
Sculda erfüllet den Sinn, Dich zu arger Verschuldung verleitet.
Wie soll, Verruchter, ich nennen Dich, unsrer Gefahren Erzeuger,

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Dich, den Verräter des trefflichen Herrn, den grausige Herrschsucht

Jagte, den sinnlos in Wut die Furien trieben der Gattin
Nimmer zu tilgende Schuld, sinnblendende[1] auf Dich zu laden.


  1. Eine Schuld vor sich (d. h. vor den Augen des Geistes wie einen verdunkelnden Vorhang) ausspannen, nicht „als Entschuldigung vorschützen“, denn Hiarthwar redet gar nicht, coniugis gehört zu furiis; aeternam wäre sonst gar nicht zu verstehen. Vgl. 4416 praetentas ori tenebras.
Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_088.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)