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50 Zweites Buch.


er in scheinbarer Furcht ein wenig von dem Lager weg. Als nun die Leute aus der Stadt über das Lager herfielen, den Halt unter den Füssen verloren und haufenweise in die Gruben stürzten, da liess er sie alle von obenher mit Speerwürfen niederstrecken.

Als er von da weiterzog, stiess er auf Tranno, den Fürsten der Rutenen (Russen); er nahm sich vor, dessen Seemacht auszukundschaften, liess aus Latten viele Pflöcke schneiden und mit ihnen ein Fahrzeug beladen. Auf diesem fuhr er bei Nacht an die feindliche Flotte heran und machte mit einem Bohrer Löcher in den Rumpf der Schiffe. Damit nicht vorzeitig das Wasser durch sie eindringe, verstopfte er die offenen Bohrlöcher mit den vorher besorgten Pflöcken; was der Bohrer versehrt, das besserte er mit seinen Stöckchen wieder aus. Als er aber glaubte, dass die Anzahl der Bohrlöcher hinreiche, die Flotte zum Sinken zu bringen, da liess er mit einem Male alle Stopfen herausziehen, um dem Wasser freien Eintritt zu schaffen, und eiligst die feindliche Flotte durch die seinige einschliessen. Von zwiefacher Gefahr umstellt wussten die Russen nicht, ob sie eher den feindlichen Schiffen Widerstand leisten sollten, oder den Wassern. Das Schiff sank unter ihnen und brachte sie zu Tode, wenn sie es gegen den Feind decken wollten. Die Gefahr im Schiffe war noch schlimmer, als die von aussen kam; wenn sie gegen den Feind draussen die Waffen zückten, erlagen sie drinnen den Wassern. Zwei Gefahren rückten zugleich gegen die Armen vor. Es war nicht abzusehen, ob man schneller durch Schwimmen Rettung suchen sollte, oder durch Kämpfen. Den Kampf unterbrach mitten in seinem besten Gange die ungewohnte Aussicht auf das Ende. Zwei Todesgestalten stürmten in gleichem Schritte heran, zwei Wege der Vernichtung liessen gemeinsam die Gefahr nahen; man wusste nicht, ob ihnen mehr das Eisen, oder das Wasser zusetzte. Wer sich gegen das Schwert wehrte, den umschlang die still eingleitende Salzflut; wer den Gewässern entgegen trat, dem trat das Schwert in den Weg und fasste ihn. Das einquellende Wasser wurde vom ausspritzenden Blute gefärbt.

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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_060.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)