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44 Erstes Buch.


Königs, verheiratet war, bewogen durch die Ehe unter ihrem Stande oder getrieben von Ehrgeiz, wiegelte ihren Mann, aller Kindesliebe bar, zur Ermordung des Vaters auf: sie wolle nicht Königstochter, sondern Königin heissen. Ihre mahnende Ansprache will ich ungefähr mit denselben Worten geben, in denen sie ihr Ausdruck verliehen hat; sie lautete etwa also:

O ich Elende, deren Adel ein ungleiches Eheband verdunkelt! O ich Unselige, an deren Ahnenreihe bäurische Niedrigkeit geknüpft ist. O ich unglücklicher Fürstenspross, die ich das Ehebett eines Unterthanen teile; o ich arme Königstochter, deren Zier ein blöder Vater in eine unangesehene und verächtliche Ehe dahingegeben hat. Ich unglückliches Kind der Mutter, dessen Glücke das Ehebett Abbruch thut, dessen reine Glieder bäurischer Schmutz besudelt, dessen Würde gemeine Unehre beugt, dessen hohe Geburt der Stand des Gatten herabwürdigt. Wenn nur ein Funke von Geisteskraft in Dir glüht, wenn nur eine Spur von Mut in Deinem Herzen wohnt, wenn Du Dich als würdigen Schwiegersohn eines Königs zeigen willst, dann entreiss dem Schwiegervater die Herrschaft, mache die niedere Geburt durch Thatkraft wett, gleiche den Mangel der Geburt durch Tüchtigkeit aus, wiege das Gebrechen des Blutes durch Mut auf! Beglückender ist die Würde, wenn sie Kühnheit, als wenn sie Erbschaft zu eigen giebt; den Thron besteigt man ruhmvoller durch Tüchtigkeit, als durch Nachfolge; [36] 36Ehren verleiht richtiger Verdienst, als Geburt. Ein Frevel ist es ja nicht, einen Greis zum Falle zu bringen, der von der eignen Last gedrückt zum Falle schon neigt. Für den Schwiegervater wird es ja genug sein mit der Herrschaft so vieler Jahre; die Gewalt des Greises möge nun auf Dich übergehen; wenn sie Dir entgeht, wird sie doch bald an einen andern fallen. Dem Falle nahe ist ja, was im Greisenalter steht. Ihm genüge es, geherrscht zu haben, Dir soll es endlich zukommen zu herrschen. Ich sehe lieber als Herrscher den Mann, als den Vater; ich will lieber Gemahlin, als Tochter des Königs heissen. Schöner ist es, im eigenen Hause einen

Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_054.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)