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I. Hading, Harthgrepa. 27


Starrheit verengend zusammen, bald schwellet sie gnädig der hohe

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[22] 22Wuchs und gewährt ihnen nun zu berühren die Wolken des Himmels.

Jetzt hab’ ich klein mich gepresst, jetzt dehn ich mich lockeren Knies aus
Immer im Wandel, wie Wachs mich in neue Gestalten verkehrend.
Niemand schauet in mir ein Wunder, wer kennet den Proteus.
Bald presst eng mir die Glieder, bald lässt sie sich wieder entfalten

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Unstät im Wechsel die Form und die doppelgestalt’ge Erscheinung,

Die mir die Glieder bald dehnt, bald einrollt zu engerem Umfang.
Schwellen lass ich die Glieder im Nu, die gedehnten zusammen
Lass ich dann schrumpfen, in Doppeltgestalt stets wechselnd erscheinend,
Herrin zwiefacher Form: in der grösseren schreck’ ich die Kühnen,

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Doch in der kleineren such ich der Menschenkinder Umarmung.

Durch diesen Zuspruch verschaffte sie sich das Beilager mit Hading, und ihre Liebe zu dem Jüngling war so glühend, dass sie kein Bedenken trug ihm in männlicher Kleidung zu folgen, als sie merkte, dass er seine Heimat wieder zu sehen verlangte, und dass sie es als eine Lust betrachtete, an seinen Mühsalen und Gefahren teilzunehmen. In seiner Begleitung trat sie die beschlossene Reise an und kam auf ihr, Nachtlager suchend, in ein Haus, für dessen gestorbenen Besitzer eben das traurige Leichenbegängnis abgehalten wurde. Sie wünschte hier mit Zauberschau den Willen der Götter zu erkunden, ritzte Zauberformeln in ein Stäbchen und liess sie durch Hading unter die Zunge des Toten legen und zwang ihn so, ein Lied, schrecklich zu hören, mit folgendem Inhalte kund zu geben:

Wer zurück mich rief vom Orkus, müsse sterben selbst verflucht,
Und er büss’ im Reich des Dunkels, dass den Geist herauf er rief.

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Wer auch immer mich rief her von dem Dunkel,

Mich, den Tod schon gepackt, der ich entseelt lag,
Und mich wieder zum Licht jagte zur Erde,
Unten am bleichen Styx müsse er büssen
Mit dem eigenen Tod Strafe den Schatten.

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Wider den eigenen Wunsch, weichend dem Zwange

Muss jetzt künden ich Euch traurige Märe;
Denn wenn weiter den Schritt ihr von hier lenket,
Bald in den dichten Hain werdet ihr treten.
Dort sollt Beute ihr sein schrecklichen Wesen.

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Dann, die führte zurück mich von dem Dunkel

Und die wieder das Licht zwang mich zu sehen,
Die in Fesseln des Leibs bannte die Seele,

Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_037.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)