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lassen, eingeengt und doch frei, kärglich bedacht und reich machend, wenig geliebt und doch aller Töne und Klänge kundig, die das Menschenherz bewegen, ein Volk, das denkt und dichtet, so daß fremde Völker Jahrhunderte brauchen, um den Bau der Könige kennen zu lernen und seine Schmuckstücke nicht nur, sondern die tragenden Säulen nachzuahmen, hat noch eine bedeutsame Zukunft.

 Ihm ward das Christentum in die Wiege gelegt, als das Volk ward, seiner selbst gedenk und mächtig, mit ihm hat es gerungen, an ihm gelernt. Wo Christentum und deutsche Art einander immer verstanden, haben beide in den Tagen der Reformation den Bund auf Selbsterkenntnis, auf Heiligung und Vertiefung geschlossen, so daß eines am andern genas.

 Es sind Zeiten gekommen, in denen das Schlichte nimmer als echt und das Gekünstelte als Kraft galt, im Volksleben wie in der Tiefe seiner Seele. Der Fortlauf dieser Zeiten hätte gegen Entwertung des Echten und Rechten mit trüben Gründen und mit Untreue gegen das Erbe des Ewigen gezeugt, Bestes gewollt, Gutes verhindert, Ungutes gefördert.

 Da hat der Krieg den Ruf nach dem alten Gott, dessen Wort blanke Wehr und gute Waffe, dessen menschgestaltige Offenbarung in Jesu Christo weltverneuende Tat ist, laut und feierlich, klar und fest erhoben. Und die ihn vernahmen, haben ihn weiter gegeben. Komm, ja komm, Herr Jesu, ein Volksbefreier, ein Verneurer der Welt, der Du zerbrichst, daß keine Säule trägt, der Du aufrichtest, daß niemand es wehren kann.

 Näher dem Ziele des Werdens auf Grund seines Bildes von Sein und Seinsollen führt Gott durch den Weltkrieg alle, die durch Kampf und Not um ihn sich scharen, weil in der Neugestaltung aus ewig wirksamem Alten die Vollendung anhebt und ausreift.


Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Erinnerungen aus Berufsreisen an die Front. Krüger & Co., Leipzig 1917, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erinnerungen_aus_Berufsreisen_an_die_Front_47.png&oldid=- (Version vom 19.7.2016)