Seite:Erinnerungen aus Berufsreisen an die Front 12.png

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und das eigene Urteil mit gewinnender Güte nicht als abschließend aufzureden, sondern der Überzeugtheit als entscheidend anzuempfehlen. Machte es bloß die Ähnlichkeit des Saales, daß ich an die Tafelrunde von Sanssouci erinnert ward? Oder hat nicht Kronprinz Rupprecht Ähnlichkeit mit dem großen Schloßherrn, der vor ein und einhalb Jahrhundert die Welt in Staunen, seine Umgebung im Bann seiner Persönlichkeit erhielt? Aber nichts, was irgend an Nachahmung erinnern könnte. Edle Natürlichkeit und frische Ursprünglichkeit lassen keinen Gedanken an derartiges aufkommen.

 In den Augusttagen endlich wurde ich nach den Kämpfen bei Fleury von dem deutschen Kronprinzen empfangen. Einst hatte er, von Ansbach kommend, an der Grabkirche zu Kloster Heilsbronn gestanden, um die Gruft seiner Ahnen zu besuchen, begrüßt durch einen telegraphischen Gruß des kaiserlichen Vaters. Er stand in Schillingsfürst am Grabe des alten Reichskanzlers, des Fürsten Chlodwig von Hohenlohe. Seine Leutseligkeit und Freundlichkeit hatten ihm die Herzen des fränkischen Landvolkes gewonnen. Nun durfte ich in das frische, freimütige Auge des Kaisererben blicken, der mit manchem Worte sein Interesse an den Fragen bekundete, die, wie er wissen konnte, den Mann der Kirche beschäftigen. Es war nicht möglich, in kurzen Umrissen Lage und Pflicht der Kirche zu zeichnen, manches konnte nur angedeutet werden. Aber die Gewißheit, daß warme Liebe zum Evangelium nach Gestaltung und Wesen ringt, konnte mit Dank gewonnen werden. Wie klein mag den Großen der Erde manche Sorge erscheinen, die an ihnen vorübergeführt wird, während die in den Niederungen des Marktes Stehenden schwer an ihnen tragen! Aber freilich ausgleichende Gerechtigkeit läßt manche der Niederung entschwindende Wolke schwer über den Häuptern des Hochgebirges lasten. –

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Erinnerungen aus Berufsreisen an die Front. Krüger & Co., Leipzig 1917, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erinnerungen_aus_Berufsreisen_an_die_Front_12.png&oldid=- (Version vom 19.7.2016)