Seite:Erinnerung an die Enthüllung des Gabelsberger-Denkmals 6.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

standenen Gruppen, da und dort ein emsiger Kunstjünger, der das Blatt auf einem Denkmal aufgelegt hatte und mit hastendem Stift den Worten des ehrwürdigen Redners folgte, der rothe Schein der Kerzenflammen, die sich eigenthümlich mit dem Sonnengold des Morgens mischten, das stille Blühen und Duften umher, der tiefe Friede des Orts, die Ergriffenheit des greisen Redners, der mühsam die immer wieder aufsteigende Rührung niederkämpfte – Alles vereinigte sich zu starker, tiefgehender, ja erschütternder Wirkung, der sich wohl Keiner hat entziehen können. Der Ton ist es ja, der die Musik macht, und diesen Ton kann kein Bericht widergeben; der herzliche milde, anheimelnde Tonfall, mit dem P. Gratzmüller, so ziemlich der letzte der noch lebenden Schüler Gabelsbergers, ohne jeden Anklang gewöhnlicher priesterlicher Salbung sprach, muß der Wiedergabe seiner Rede fehlen, dennoch glauben wir uns den Dank der Ohrenzeugen, wie der Abwesenden zu verdienen, wenn wir diese in jeder Hinsicht vollendete Rede unserem Bericht einfügen.

Hochverehrte Kunst- und Festgenossen! Als vor 41 Jahren die sterbliche Hülle Franz Xaver Gabelsbergers in dieses Grab gesenkt wurde, umstand es eine kleine Schaar seiner Schüler und Freunde, von tiefem Schmerze ergriffen über das frühe und plötzliche Scheiden dieses Mannes aus ihrer Mitte. Was war es, das uns damals so tief ergriffen hat? War es der Gedanke, daß das Werk des Meisters etwa unvollständig geblieben, oder war es der Gedanke, die Bangigkeit, es möchte die Redezeichenkunst, wenn der geniale Schöpfer uns entrissen, etwa keine weitere Verbreitung finden, wenigstens nicht die Verbreitung, die der Erfinder sich gedacht hat? Nichts von alledem. Gabelsbergers Werk war vollendet und in seinen Grundzügen abgeschlossen. Gabelsbergers Stenographie war schon damals im Auslande bekannt, in mehrere fremde Sprachen übertragen und im Parlament zur offiziellen Anwendung gekommen. Seine Schüler haben sich sofort an seinem Grabe ermannt, sich in das Wirken des Meisters getheilt und unabläßlich gearbeitet der Kunst Anhänger zu verschaffen und besorgt zu sein für die Einheit und Reinheit des Systems. Was war es denn, was uns damals so tief ergriffen? Es war der Schmerz, den Mann von uns geschieden zu sehen, der seinen Schülern stets ein treuer Freund und Berather gewesen, der auf das liebevollste mit ihnen verkehrt hatte, der als Mensch, wie als überzeugungstreuer Christ von allen, die ihn kannten, geliebt und verehrt wurde, der, mit einem Wort, in der That charaktervoll durch das Leben ging, sodaß wahrlich hier, wenn bei irgend Einem, das Wort des Dichters zur Geltung kommt: „Sie haben einen guten Mann begraben, und uns war er mehr.“

Heute sehe ich dieses Grab von einer großen Schaar seiner Jünger umstanden aus allen Gauen Deutschlands, aus allen Ländern Oesterreich-Ungarns bis über den fernen Ozean; vom tiefsten Süden bis zum höchsten Norden sind Sie herbeigeeilt, um das Andenken des Mannes zu ehren, dessen Asche dieses Grab birgt. Heute ist es nicht Trauer und Schmerz, die uns hier am Grabe vereinen, nein, es ist Begeisterung, Herzensdrang und Dankbarkeit, die Sie in diese Stadt geführt haben, um dem Schöpfer der deutschen Redezeichenkunst die höchste der menschlichen Ehren zu erweisen, sein Andenken mit der höchsten menschlichen Ehrung zu krönen. Wie ist das gekommen? In der Aneignung und Ausübung der Redezeichenkunst hat Sie Begeisterung ergriffen für den Schöpfer der Kunst, welche Sie gelehrt hat, das Wort im Fluge zu erfassen. Und indem Sie Kenntniß erhielten von dem Leben und Wirken dieses Mannes, von seiner rastlosen Thätigkeit, von seinem Muth und seiner Geduld in den härtesten Schicksalsschlägen, von den Opfern, die er seiner Kunst brachte, von seiner Bescheidenheit, da haben sich auch die Herzen ihm zugewandt. Beweise dessen sind die Ovationen, welche Sie ihm, dem persönlich Unbekannten in Ihren Vereinen alljährlich an seinem Geburtstage gebracht und ganz vorzüglich bei der 100jährigen Geburtstagsfeier im verflossenen Jahre. Und als vor 12 Jahren der Gedanke auftauchte, dem großen Meister in der Stadt seiner Geburt und seines Schaffens und seines Todes ein Denkmal zu setzen, da wurde dieser Gedanke mit einer Begeisterung aufgenommen, der mit solcher Nachhaltigkeit wirkte, daß es durch die von Jahr zu Jahr immer zahlreicher fließenden Beiträge von Vereinen und einzelstehenden Stenographen ermöglicht wurde, heute das Monument Gabelsbergers zu enthüllen. Wollen wir uns an dieser Stätte des Friedens recht bewußt werden, daß jeder sein Möglichstes zur Förderung des Werkes