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schreiben und bald wird eine größere Geige hier sein,“ erwiderte ich ihm. Und wirklich erhielt ich eine passende Violine von Herrn Hofmusikus Scheffauer. Sie war mittlerer Größe, hatte ein schönes Äußere und einen starken und reinen Ton. Er bildete sich jetzt viel darauf ein, daß er nun eine größere Geige brauche und meinte, die große Geige mache auch ihn größer, sowohl in körperlicher als auch musikalischer Hinsicht. Ich schenkte ihm ein Futteral, ein Kolophoniumbüchschen und ein Pult, das man zusammenlegen konnte. All diese Sachen waren ganz nach seinem Wunsch und erhielten seinen freudigen Beifall. Ich sagte ihm nun: „Da du eine größere Geige hast, so brauchst du deine kleine nicht mehr, und ich bin willens, solche zu verkaufen.“ Mit Thränen in den Augen bat er mich um Gottes willen, doch ja sein liebes Buttergeiglein, wie er es nannte, nicht herzugeben, sondern in einem Kasten aufzubewahren, oder dieselbe wenigstens seinem Geiglehrer, der auch einen kleinen Knaben hatte, zu lassen. Ich gewährte ihm seinen Wunsch, weil es mir ohnehin nicht ernst war, das Geiglein wegzugeben. Er nahm nun zärtlich Abschied von dem Geiglein, streichelte und küßte es, spielte zum letztenmal noch die Kavatine darauf und sagte in seiner kindlichen Einfalt: „Ach du liebes Geiglein! du hast mir viele Freude gemacht, besonders

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Joseph Epple: Eduard Keller, Erinnerungen aus seiner Kindheit. Stuttgart: Kohlhammer 1904, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Epple_keller_15.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)