Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

inständigen Bitten oft bei mir schlafen lassen. Jede Nacht, bevor er einschlief, bat er mich, ihm die Biographie eines großen Tonkünstlers oder Dichters zu erzählen. Bei der Lebensgeschichte Mozarts rief er begeistert aus: „O, wenn ich nur auch ein Mozart werden könnte!“

Da ich in heiteren Stunden mich in Gedichten versuchte, so plagte er mich immer, welche zu machen. Ich las ihm aber meistens die von Schiller vor, unter denen ihm vorzüglich „Der Gang nach dem Eisenhammer“ gefiel. Bald konnte er dies herrliche Gedicht auswendig und übte sich aus allen Kräften, um es gut deklamieren zu können. Auch freute ihn sehr das Gedicht von Langbein: „Das Kinderspiel am Sabbath“.

Im Oktober 1820 sagte ich zu ihm: „Eduard, in 6 Wochen ist das Cäcilienfest, welches von der hiesigen Musikgesellschaft feierlich begangen wird. Wenn du recht brav bist, darfst du dich dann auch auf deiner Violine hören lassen.“ Nun lernte er über Kopf und Hals. Er studierte Märsche und Rondeaus ein, namentlich die Kavatine aus Rossinis „Tankred“: „Nach so vielen Leiden“, von Küffner, und gab sich alle Mühe, dieselbe mit Ausdruck vorzutragen. Täglich fragte er: „Ist’s noch nicht Cäcilienfest?“ Endlich kam der langersehnte Tag. Abends zog man den

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Epple: Eduard Keller, Erinnerungen aus seiner Kindheit. Stuttgart: Kohlhammer 1904, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Epple_keller_12.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)