Else Lasker-Schüler ist die jüdische Dichterin. Von großem Wurf. Was Deborah!
Sie hat Schwingen und Fesseln, Jauchzen des Kindes, der seligen Braut fromme Inbrunst, das müde Blut verbannter Jahrtausende und greiser Kränkungen. Mit zierlichbraunen Sandälchen wandert sie in Wüsten, und Stürme stäuben ihre kindlichen Nippsachen ab, ganz behutsam, ohne auch nur ein Puppenschühchen hinabzuwerfen. Ihr Dichtgeist ist schwarzer Diamant, der in ihrer Stirn schneidet und wehetut. Sehr wehe.
Der schwarze Schwan Israels, eine Sappho, der die Welt entzwei gegangen ist. Strahlt kindlich, ist urfinster. In ihres Haares Nacht wandert Winterschnee. Ihre Wangen feine Früchte, verbrannt vom Geiste.
Sie tollt sich mit dem alterernsten Jahve, und ihr Mutterseelchen plaudert von ihrem Knaben, wie’s sein soll, nicht philosophisch, nicht gefühlsselig, nein – von wannen Liebe und Leben kommt, aus dem Märchenbuch.
Else Lasker-Schüler ist von dunkelknisternder Strähne auf heißem, leidenschaftstrengem Judenhaupte, und so berührt so etwas wie deutsche Volksweise, wie Morgenwind durch die Nardengassen der Sulamith überaus
Else Lasker-Schüler: Gesammelte Gedichte. Verlag der Weißen Bücher, Leipzig 1917, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Else_Lasker_Schueler_Die_gesammelten_Gedichte_1917.pdf/5&oldid=- (Version vom 31.7.2018)