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Anton Oskar Klaußmann: Eine hundertjährige Strafe. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 11, S. 225–226

antreten, hielt ihm eine donnernde Strafpredigt wegen der Plünderung und verfügte endlich folgende Strafe: Jeden Abend sollte das ganze Regiment um zehn Uhr zum Appell antreten, und die Musikkapelle sollte fünf Stücke spielen, und zwar die englische Nationalhymne, die spanische und die russische Nationalhymne, den Walesmarsch und das Abendgebet. Während die Musik spielte, sollten sämtliche Mannschaften stillstehen. Der Herzog verfügte gleichzeitig, daß diese Strafe hundert Jahre dauern sollte.

Während des Feldzuges und auch später wurde diese Strafe beständig durchgeführt. Als aber das Regiment wieder in der Heimat war, milderte man die Sache etwas: es trat nur die Musik an, um die fünf Stücke zu spielen, und den Soldaten, die aus Neugier hinkommen wollten, war es gestattet, anwesend zu sein. Im Laufe der Zeit betrachtete das Regiment das allabendliche Spielen der Musik nicht als eine Strafe, sondern als eine Art Vorrecht.

Das Regiment, das zurzeit in Südafrika steht, hat bisher streng diese Abendmusik durchgeführt. Die hundert Jahre sind jetzt vorüber; es ist aber fraglich, ob die Abendmusik aufhören wird, weil das Regiment sie als ein Vorrecht betrachtet und wahrscheinlich bei der vorgesetzten militärischen Behörde darum einkommen wird, ihre Strafabendmusik weiter behalten zu dürfen.

A. O. K.
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Anton Oskar Klaußmann: Eine hundertjährige Strafe. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 11, S. 225–226. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1913, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eine_hundertj%C3%A4hrige_Strafe.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)