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Walther Kabel: Eine aufregende Fahrt. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 5, S. 215–220

auch in der Ferne ein Rauschen wie von stürzenden Wassermassen. Ich gebe zu, daß ich in diesem Augenblick meine Verwegenheit verwünschte. An eine Umkehr war jedoch nicht zu denken. Unser Kahn schoß jetzt bereits mit einer besorgniserregenden Schnelligkeit dahin. Alle Versuche, ihn mit unseren Stangen aufzuhalten, blieben erfolglos. Das Flußbett verengte sich immer mehr. Zu unserem Glück hatten die Wände auf dieser Strecke keine Zacken und Vorsprünge. Sonst wäre unser Kahn sicherlich zerschellt.

Inzwischen wurde das Rauschen vor uns lauter und lauter. Es war schon ein wildes Brausen, eine wahre Todesmusik für uns beide, die wir uns den Geistern des Kung-ho überantwortet hatten. Als wir in diesem engen Tunnel dahinglitten, als der rote, unsichere Lichtschein der Fackeln über die von goldleuchtenden Glimmerstreifen durchzogenen Felswände und den schwarzen Fluß dahintanzte wie leuchtende Gespenster, erwachte plötzlich wieder meine ganze Energie, die vor den unbekannten, drohenden Schrecknissen da vor uns so plötzlich erloschen war. Die lähmende Beklemmung wich, und mit kurzem Zuruf befahl ich meinem bewegungslos auf dem Boden des Fahrzeugs hockenden Diener, die Holzstange nach meinem Vorbild gegen die Wände des Tunnels zu stemmen, um wenigstens die Schnelligkeit des Bootes etwas zu mäßigen. Es war eine Arbeit, bei der uns bald trotz der eisigkalten Luft der Schweiß von der Stirn troff. Aber unser Bremsen half wenigstens. Wild wurden wir hin und her gestoßen und gerieten oft in Gefahr, aus dem Kahn herausgeschleudert zu werden, doch die Hauptsache war, wir blieben stärker als die Strömung.

So ging’s wohl eine Stunde lang vorwärts. Wildes Brausen erfüllte die Luft, und bei jeder Biegung des Stromes fürchteten wir, den verderblichen Wasserfall vor uns zu sehen. Dann aber ein Ruck, ein Zittern des Bootes. Zwei von unseren Fackeln stürzten ins Wasser und erloschen zischend. Meines braven Tschi-fons Holzstange hatte sich zwischen den Wänden festgeklemmt, und er selbst stemmte sich mit aller Kraft dagegen, um nicht umgerissen zu werden. Schnell kam ich ihm zu Hilfe,

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Walther Kabel: Eine aufregende Fahrt. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 5, S. 215–220. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1913, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eine_aufregende_Fahrt.pdf/4&oldid=- (Version vom 31.7.2018)