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Walther Kabel: Eine aufregende Fahrt. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 5, S. 215–220

Eine aufregende Fahrt. – Der Hauptmann der französischen Kolonialarmee Bertrand bereiste in den Jahren 1910/11 Südchina und berührte dabei Gebiete, die vorher noch keines Europäers Fuß betreten hatte. Als Chinese verkleidet und nur von seinem treuen chinesischen Diener Tschi-fon begleitet, wagte er sich in Gegenden, deren fanatische Bevölkerung ihn bei Bekanntwerden seiner wahren Herkunft sicherlich in Stücke gerissen haben würde. Was ihn schützte, war seine genaue Kenntnis der chinesischen Sprache und seine Vertrautheit mit den dortigen Sitten und Gebräuchen. Er gab sich als reisender Kaufmann aus, der für seine Firma in Kanton wertvolle Felle einhandeln sollte.

„Am 12. September 1910,“ berichtet er, „traf ich nach einem beschwerlichen Marsche durch öde Bergtäler auf ein am Ufer des Hwang-ho gelegenes Dorf. Wir stiegen in der etwas abseits gelegenen Karawanserai ab und ließen uns den Dorfältesten kommen. Nachdem ich dem vor Schmutz starrenden Alten durch einige Geschenke die Zunge gelöst hatte, begann ich zunächst nach den Ergebnissen der diesjährigen Jagd zu fragen, indem ich dabei einflocht, daß ich Felle einzukaufen beabsichtigte. Die Hoffnung auf ein gutes Geschäft brachte in diese ausgetrocknete chinesische Mumie noch mehr Leben. Nachdem ich so jeden Argwohn gegen meine Person in ihm erstickt hatte, kam ich auf Umwegen zu dem, was zu erfahren mir das Wichtigste war. Ich hatte nämlich schon früher von einem Nebenflusse des Hwang-ho gehört, der über zwanzig Kilometer weit durch einen Gebirgsstock unter der Erde dahinströmen sollte. Diese Gerüchte wollte ich nun auf ihre tatsächlichen Grundlagen nachprüfen. Der Alte ging denn auch sehr bereitwillig auf das Gespräch ein, und ich erfuhr, daß die Sache mit dem unterirdischen Flusse wirklich ihre Richtigkeit hatte.

Am nächsten Morgen führte man mich nach der Stelle hin, wo der Kung-ho, jener Nebenfluß, in dem Gebirge verschwindet. Das Eingangstor des hier vier Meter breiten Flusses war so hoch gewölbt, daß man bequem mit einem Boote hineinfahren konnte. Der Wasserlauf selbst hatte eine für ein Gebirgswasser

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Walther Kabel: Eine aufregende Fahrt. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 5, S. 215–220. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1913, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eine_aufregende_Fahrt.pdf/2&oldid=- (Version vom 31.7.2018)