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waren nicht vorgefallen; aber die Amerikaner sind mit ihrem Geldbeutel genau so zäh wie andere Leute – ja vielleicht noch ein klein wenig zäher, und drücken sich so lange herum, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen, wie nur irgend möglich.

Der Yankee, der Slocum hieß, hatte sich, da ihm die Zeit anfing zu lange zu dauern, einen jungen Mann genommen, der seine Rechnungen austragen und das Geld eincassiren sollte; aber dieser brachte kaum so viel nach Hause, als er täglich für seinen eigenen Unterhalt, wie den seines Pferdes zahlen mußte, und Slocum entließ ihn wieder als völlig unbrauchbar. Genau so ging es einem Zweiten, und Slocum saß heute, sein rechtes Knie mit beiden Händen gefaßt, finster brütend auf seinem Ladentisch und überlegte sich eben, ob er nicht vielleicht am besten thäte, die ganze Summe, die etwa sechshundert Dollars betragen mochte, im Stich zu lassen, als hier noch länger seine Zeit zu versäumen. Da hielt ein Reiter vor seinem Hause, sprang aus dem Sattel, warf den Zaum seines Thieres über ein dort zu dem Zweck angebrachtes, sogenanntes Reck und trat dann ohne Weiteres in den Laden.

Es war eine der Gestalten, wie sie sich zu Hunderten im Westen herumtreiben, ein richtiger Backwoodsman, nur ohne Büchse und Kugeltasche, in einem blauen Frack aus selbstgewebtem, wollenem, grobem Landstoff, den man dort Jeanes nennt, „pfeffer- und salzfarbenen“ ähnlichen Hosen, groben Schuhen, keiner Weste, weißem, vorn offenem Hemd und einem alten, zerdrückten Filzhut auf dem lockigen, braunen Haar – aber mit einem gutmüthigen Gesicht und klaren blauen Augen, sonst auch, wie es schien, vollkommen guter Laune, denn er grüßte den Yankeehändler freundlich mit einem gemüthlichen: „How do you do, old fellow?“ (Wie geht’s, alter Bursch?)

Slocum sah ihn etwas überrascht von der Seite an, denn er vermuthete im ersten Augenblick einen alten Bekannten; das Gesicht war ihm aber vollkommen fremd, und ohne seine Stellung auch nur im Geringsten zu verändern, nickte er ihm nur ruhig zu und erwiederte:

How do you do, Fremder?“

„Dank Euch – mittelmäßig – irgend noch ein Schnaps im Haus?“

„Denke so“, sagte der Händler, indem er sein rechtes Bein losließ und beide dann so herumschwenkte, daß er hinter den Ladentisch zu stehen kam. – „Was wollt Ihr? Whiskey oder Brandy?“ frug er dann, sich halb nach dem Käufer umdrehend.

„Hm“, sagte der Fremde, „sehe mehr auf Quantität als auf Qualität – denke mir, daß Brandy einen ganzen Haufen theurer ist als Whiskey und Einer brennt so gut wie der Andere“

„Knapp an Geld, wie?“ meinte Slocum, indem er die Whiskeyflasche aus einem der Gefache nahm und mit einem Glas auf den Ladentisch stellte, „da – helft Euch selber!“

„Dank’ Euch – ja – Geld ist knapp in dieser Zeit!“ sagte der Fremde, schenkte sich dabei ein Glas halb voll und leerte es auf einen Zug, griff dann in die Tasche und frug: