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Walther Kabel: Ein merkwürdiger Sport (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 2)

Wogen tanzenden und heftig schaufelnden „Amerika“ so stark unter der Seekrankheit, daß er am achtzehnten Tage nach Beginn der Fahrt an Herzschwäche verstarb. Die Leiche warf Wilkiens über Bord. Dann trat besseres Wetter ein, völlige Windstille, die jedoch zum Entsetzen des einsamen, in dem Fahrzeug eingesperrten Steuermannes fast einen vollen Monat dauerte. Mitte des dritten Monats trieb ein neuer tagelanger Sturm die „Amerika“ auf die Insel Island zu, wo sie beinahe an den nördlichen Riffen zerschellt wäre. Nur mit Mühe entrann Wilkiens hier dem drohenden Tode.

Wieder trieb das nur schwer zu steuernde Fahrzeug zwei Monate, starken Winden preisgegeben, auf dem Ozean umher. Kein Schiff zeigte sich in der Nähe. Dann wurde es gegen Ende des fünften Monats an das Ufer der westlich von Schottland weitab von allem Verkehr liegenden winzigen Insel Rockall geworfen, die aus starren, toten Felsen besteht und nicht die Spur von Vegetation besitzt. Dort blieb Wilkiens, nachdem er die „Amerika“ in eine geschützte Bucht gebracht hatte, weitere acht Wochen, um sich zu erholen. Nachdem er seine Vorräte durch in der Sonne gedörrtes Fleisch der auf Rockall nistenden Seevögel ergänzt und das Regenwasser aus den Felshöhlungen gesammelt hatte, stach er wieder in See. Ungünstige Winde verschlugen ihn jedoch abermals bis dicht an die norwegische Küste. Nach unglaublichen Leiden landete er dann schließlich Mitte des elften Monats an der Ostküste von Dänemark bei der Hafenstadt Söndervig, halb wahnsinnig von den ausgestandenen Schrecken und Entbehrungen.

Durch eine in New York veranstaltete öffentliche Sammlung erhielt er später ein Ehrengeschenk von 30 000 Dollar. Die „Amerika“, die bemerkenswerterweise all die Stürme unbeschädigt überdauert hatte, schenkte er seinen Rettern, zwei Heringfischern aus Söndervig, die ihn auf offener See angetroffen und nach dem Hafen eingeschleppt hatten. Das „Blechbüchsenfahrzeug“ wurde von den Fischern noch jahrelang als schwimmender Aufbewahrungsraum für ihre Netze benützt, bis es schließlich irgendwo als Alteisen endigte. Durch sein vorher erwähntes Buch verdiente Wilkiens noch weitere

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Walther Kabel: Ein merkwürdiger Sport (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 2). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1915, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_merkw%C3%BCrdiger_Sport.pdf/4&oldid=- (Version vom 31.7.2018)