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unsere Kirche genötigt, eine menschliche Benennung sich beizulegen und so nennt sie sich, nachdem Gott die erneuerte Kirche durch Luthers Zeugnis erstehen ließ, die „lutherische Kirche“ oder „Kirche Augsburgischen Bekenntnisses“. Aber sie ist die Kirche der Reformation und als solche schließt sie die Vergangenheit der Kirche ein, wie wir durchweg gesehen haben. Man kann in gewissem Sinn sagen: sie schließt die bisherige Lehrentwicklung ab. Wenn wir auch nicht leugnen wollen, daß manche Lehrpunkte in der Reformationszeit noch nicht zur völligen Klärung gelangt sind, so werden wir andererseits sagen müssen, wenn auch die Kirche tiefer in das Verständnis der Schrift eingedrungen ist durch Schriftforschung und die sonstige Arbeit der theologischen Wissenschaft, hinsichtlich der eigentlichen Heilserkenntnis hat sie seit Abschluß des Bekenntnisses keinen wesentlichen Schritt vorwärts getan.

Aus der Vergangenheit der Kirche müssen wir ihre Gegenwart verstehen. Wenn die Kirche der Reformation sich als Landeskirche gestaltet hat, kann das sehr verfehlt erscheinen und Kritik ist auch da sehr billig. Gewiß ist es ein sonderbarer Umstand, daß in unserm Land der katholische König der oberste Bischof der evangelischen Landeskirche ist, aber dieser Umstand will aus der Vergangenheit, aus der Geschichte, verstanden sein. Dieser Nachweis wurde ja auch von uns geliefert. Wer die Vergangenheit der Kirche recht kennt, beurteilt die Gegenwart derselben richtig und wer aus der Vergangenheit die Gegenwart erkennt, wird auch über die Zukunft der Kirche ein Urteil sich bilden können. Schon der weltliche Dichter tut den merkwürdigen Ausspruch: „Liegt dir Gestern klar und offen, wirkst du heute kräftig, frei, kannst auch ein Morgen hoffen, hoffen daß es glücklich sei.“ Das ist geredet nach menschlicher Weisheit. Auf das Gebiet der Kirche übertragen ist es durchaus richtig, daß man durch die Kenntnis der Vergangenheit das rechte Verständnis für die Gegenwart und durch das Verständnis der Gegenwart die richtige Beurteilung der Zukunft gewinnt.

Wir reden

von der Zukunft der Kirche der Reformation

und zwar

1. von der Zukunft der Kirche, soweit sie sich aus der Gegenwart erkennen läßt,
2. von den uns lutherischen Christen damit gestellten Aufgaben,
3. vom Ausgang der Kirche, wie er sich im prophetischen Wort darstellt,
4. von der Aufgabe, welche damit denen gestellt ist, welche auf die Erscheinung des Herrn warten.