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Willkür entgegen. Wir erinnerten schon an das Wirken der Frau im öffentlichen Gottesdienst und so kommen wir weiter auf die willkürlichen verstandesmäßigen Scheidungen, die uns im reformierten Glaubenssystem entgegentreten. Trennung des Göttlichen und Menschlichem vor allem in der Person des Herrn; denn Zwingli lehrt, Christus sei nur seiner göttlichen Natur nach allgegenwärtig, nach der menschlichen sei er im Himmel eingeschlossen – ein Auseinanderreißen der Gottheit und Menschheit, eine Verkennung des grundlegenden Satzes: „Das Wort ward Fleisch“. – Das gleiche gilt vom Heilsratschluß; da wird alles auseinandergerissen. Der göttliche Heilsratschluß steht für sich selbst da ohne Rücksicht auf menschliches Element. Das führt zur Lehre der Prädestination. Dann die Trennung von Wort und Geist, daß nicht das gepredigte Wort an sich ein Werkzeug des Geistes ist, sondern daß die geisterfüllte Persönlichkeit unmittelbar überströmt, vom Lehrenden auf den Hörenden wirkt. Damit hängt der Punkt zusammen, der schon im Donatismus der alten Kirche hervortrat, die Frage, ob auch das Wort eines Unbekehrten Glauben wirken könne, was entschieden nach unserer Lehre zu bejahen ist; auch die kirchliche Erfahrung beweist diese Lehre. Sie schrauben die christliche Wahrheit zurück in der Lehre von den Sakramenten. Sie leugnen, daß die Taufe das Bad der Wiedergeburt ist; sie sei nur ein Symbol oder Sinnbild der Aufnahme in die Kirche und eine Verheißung, daß eine Geistestaufe früher oder später erfolgen und zustande kommen könne. Sie leugnen die wahre Gegenwart des Leibes und Blutes Christi im heiligen Sakrament. Zwingli sagt sehr dürftig, es sei lediglich eine Erinnerung an den Tod des Herrn; Calvin erkennt, daß man damit dem Wort des Herrn doch nicht gerecht wird. Er lehrt einen Empfang, aber nur einen geistlichen, nur durch den Glauben, nicht vermöge der sichtbaren Zeichen. Die Kirche wird ihrem Wesen nach als lediglich unsichtbar aufgefaßt, weil eben die rechte Erkenntnis der Gnadenmittel fehlt. Weil die Kirche aber doch irgendwie in Erscheinung treten muß, läßt man sie in einem christlichen Staat in Erscheinung treten, wie Zwingli einen solchen Gottesstaat in Zürich versuchte und Calvin in gewissem Sinn in Genf für ein halbes Jahrhundert zustandegebracht hat, eine Mischung von Kirche und Staat, die den willkürlichen Charakter der Schweizer Reformation darstellt. Uns tritt es ja in der Gegenwart in bedauerlicher Weise entgegen, wie die englischen Christen der Meinung sein können, ihr Volk sei von Gott bestimmt die Weltherrschaft auf dem Meer auszuüben – auch eine Vermischung des Geistlichen und Weltlichen, das die Art der Schweizer Reformation vor Augen führen kann. Die Vorzüge sind ihr Eifer für die Werke des Reiches Gottes, die Schattenseiten: die Willkür, der fanatische Zug und das Sektenwesen.

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Wir haben schon gezeigt, wie merkwürdig sich die Extreme