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I.

Es ist ein Grundsatz in der Geschichte des Reiches Gottes, den der Apostel im 1. Korintherbrief ausspricht: „Nicht viel Weise nach dem Fleisch, nicht viel Gewaltige, nicht viel Edle sind berufen. Sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, daß er die Weisen zu Schanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, daß er zu Schanden mache, was stark ist; und das Unedle vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt und das da nichts ist, daß er zunichte mache, was etwas ist, auf daß sich vor ihm kein Fleisch rühme.“ Das hat sich gezeigt in der Gestalt, in welcher der Menschensohn selbst auf Erden erschienen ist, in der Gestalt seiner Niedrigkeit. Das ist hervorgetreten bei der Auswahl der Apostel. Aus den einfachsten Kreisen des Volkes, nicht aus den Gelehrten und Großen dieser Erde sind sie berufen. Das zeigt sich auch nicht minder beim Werk der Reformation. Kaiser und Könige, Kirchenversammlungen, Universitäten in ihrem ganzen damaligen Ansehen haben versucht eine Reformation der Kirche herbeizuführen: es ist ihnen nicht gelungen. Luther ist dazu berufen gewesen, ein geringer Mönch, ein Lehrer in einer erst kurz erstandenen Hochschule in einem recht unbedeutenden kleinen Städtlein. Wodurch ist er aber dazu vor allem geeignet gewesen, das Werkzeug Gottes zu werden? Durch sein Erleben im entscheidenden Punkt. Der äußere Lebensgang Luthers ist bekannt. Sein Vater, aus angesehenem Bauerngeschlecht, hatte, weil er als ältester das Gut nicht bekam, das nach thüringischem und oberfränkischem Brauch der jüngste zu bekommen pflegte, sich nach einem andern Erwerbszweig umzusehen gehabt. Er wendete sich dem damals aufblühenden Bergbau zu. Anfangs ging es ihm hart; später in Mansfeld ging es ihm besser. Er wurde ein angesehener Mann, Mitglied des Rates der Stadt und Teilhaber an einem Bergwerk. So konnte er sich entschließen, seinen ältesten hochbegabten Sohn dem Studium zu widmen, damit ein Rechtsgelehrter und somit ein tüchtiger und angesehener Mann aus ihm würde. Er kam zuerst in die Schule nach Mansfeld, dann nach Magdeburg und Eisenach, im Jahre 1501 auf die Hochschule nach Erfurt. Wichtiger aber ist uns sein innerer Lebensgang. Die Feinde Luthers haben ihm je und je viel Böses nach gesagt, aber sie können nichts Schlimmes aus seinem Leben aufbringen, auch nicht aus seiner Jugend, auch nicht aus der Zeit vor der inneren Wendung. Er war auf der Universität ein frischer, hurtiger Geselle, wie er selbst sagte, arbeitete fleißig, widmete sich auch der Geselligkeit und war durch seine musikalische Begabung bekannt. Er ging aber in den Bahnen der mittelalterlichen Kirche. Bekanntlich waren es mancherlei Erinnerungen an den Tod, die in sein Leben eingriffen.