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Zeit, zum Teil wichtig für den Diakonissenberuf. Ich möchte hervorheben, daß während von Anfang des Mittelalters an das Klosterwesen hervortrat, welches für den Diakonissenberuf eigentlich schädigend wirkte, am Ende desselben Erscheinungen sich darstellen, die für den Diakonissenberuf als vorbildlich bezeichnet werden können. Ich möchte auch noch sagen, daß während des Mittelalters auch in der Kirche selbst nicht wenig wahrhaft fromme Persönlichkeiten uns entgegentreten. Da braucht unter ihnen nur erinnert zu werden an die heilige Elisabeth, die Landgräfin von Thüringen, die im Jahre 1231, vierundzwanzig Jahre alt, starb. Wir können jetzt ihren Lebensgang nicht näher beschreiben, ich kann nur sagen, daß sie eine ungarische Königstochter war, als Kind schon dem Landgrafen von Thüringen verlobt und in goldener Wiege auf die Wartburg gebracht wurde und dort mit ihrem späteren Gemahl heranwuchs. Kaum waren sie vermählt, so mußte ihr Gemahl zu einem Kreuzzug in die Ferne ziehen, von welchem er nicht wiederkehrte. Nun hat sie als Witwe ganz den Werken der Barmherzigkeit gelebt, zu wenig freilich um das Recht ihrer Kinder sich angenommen, denen durch Verwandte was ihnen gebührt entzogen wurde; aber den Armen hat sie sich ganz hingegeben und durch den Einfluß ihrer liebeerfüllten Persönlichkeit hat sie Großes gewirkt. Groß ja rührend war sie in der Demut, eine wahrhafte Heilige, eine ideale Erscheinung,“ wie ein gläubiger Geschichtsschreiber sie genannt hat, freilich mit stark römischer Färbung, mit der Richtung zum Klosterleben hin statt der Betätigung im Gott geordneten Beruf.

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Man könnte auch hinweisen auf die gesamte Richtung der Mystiker im Unterschied von der Scholastik. Die Scholastiker sagen: Wahrheitserkenntnis auf dem Weg begrifflicher Entwicklung, die Mystiker dagegen: Wahrheitserkenntnis auf dem Wege der Erfahrung. Das Richtigere ist sicher das Letztere, obwohl es dazu führen kann zu sehr vom Wort abzusehen; dann ist es falsch. Wenn man dagegen das im Wort Gebotene innerlich erfahren will, dann ist das die edle berechtigte Mystik, die vorbereitend auf die Reformation gewirkt hat. Einer ihrer hervorragendsten Vertreter war der Abt Bernhard von Clairvaux, 1091–1153, durch den der Zisterzienserorden zu großem Ansehen kam, der auch in unserer Gegend Großes gewirkt hat. – Dann die edlen deutschen Mystiker: Suso, Tauler und der nachher noch zu nennende Thomas von Kempen. Die niederländischen Reformatoren, die man mit Unrecht so nennt, haben in der Stille gewirkt, aber doch evangelische Erkenntnis besessen. Das ist besonders Johann Pupper von Goch, Johann von Wesel und Johann Wessel. Dann eine besonders schöne Erscheinung, die eben an den Diakonissenberuf erinnern mag, das sind die Brüder und Schwestern vom gemeinsamen Leben. Schon früher im Mittelalter treten uns die merkwürdigen Erscheinungen der Beghinen und