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Die Seelenburg

Licht ausströmt, das sich aus dem Innern der Seele auf ihre Vermögen ergießt. Die Seele weicht … nicht von diesem Mittelpunkt und verliert nicht ihren Frieden …“[1]

Dieser Frieden soll aber nicht so verstanden werden, als sei die Seele „ihres Heils gewiß und könne fortan garnicht mehr fallen“[2]. Sie selbst hält sich dessen nicht für versichert, vielmehr wandelt sie „mit viel größerer Furcht als ehedem“ und hütet „sich vor jeder, auch geringen Beleidigung Gottes“.

Die erste Wirkung der Vermählung ist „ein solches Selbstvergessen der Seele, daß es scheint, sie hätte … aufgehört zu sein …; ihr ganzes Streben geht jetzt vielmehr dahin, die Ehre Gottes zu fördern, sodaß es scheint, die Worte, die er zu ihr gesprochen, sie solle seine Angelegenheiten als die ihrigen betrachten, indes er die ihrigen als die seinigen ansehen werde, seien an ihr in Erfüllung gegangen“[3].

„Die zweite Wirkung ist ein großes Verlangen zu leiden“, aber ohne „daß es diese Seelen beunruhigte, wie dies sonst der Fall war. Denn sie verlangen so sehr, daß in allem Gottes Wille in ihnen geschehe, daß ihnen alles recht ist, was immer Seine Majestät tut“[4]. Und wenn sie sich früher nach dem Tode sehnten, so ist jetzt ihr Verlangen, Gott „zu dienen und zu seinem Lobe zur Förderung irgendeiner Seele, wenn es möglich wäre, beizutragen, so groß, daß sie, weit entfernt von dem Verlangen zu sterben, vielmehr noch recht lange unter den größten Leiden zu leben wünschen, damit, wenn es möglich wäre, der Herr durch sie gelobt werde …“[5]

Sie haben „auch kein Verlangen mehr nach geistlichen Wonnen und Süßigkeiten“, „leben in einer großen Losschälung von allem Geschaffenen und wünschen, immer allein zu sein oder zum Nutzen irgendeiner Seele sich zu beschäftigen. Sie haben weder Trockenheit des Geistes noch innere Leiden, sondern… sind … von einer so zärtlichen Liebe“ zum Herrn „erfüllt, daß sie ihn ohne Unterlaß loben möchten. Werden sie aber hierin schläfrig, so weckt sie der Herr selbst … wieder auf, sodaß ganz deutlich ist, diese Anregung … gehe von dem Innern der Seele aus“[6]; sie kommt weder vom eigenen Denken noch vom Gedächtnis noch ist sie etwas, daß man denken könnte, die Seele habe ihrerseits etwas dazu beigetragen“[7].


  1. a.a.O. S. 278.
  2. a.a.O. S. 280.
  3. a.a.O. S. 283.
  4. a.a.O. S. 284.
  5. a.a.O. S. 285.
  6. a.a.O. S. 286.
  7. a.a.O. S. 287.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Die Seelenburg. Editions Nauwelaerts, Louvain 1962, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Welt_und_Person.pdf/60&oldid=- (Version vom 31.7.2018)