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Darstellung der hl. Teresia von Jesus

herrlich geht die Seele aus diesem Gebet hervor, nachdem sie hier … in die Größe Gottes versenkt und so innig mit ihm verbunden war! Ich rede die Wahrheit, wenn ich sage, daß die Seele sich selbst nicht mehr kennt“[1].

Es erwacht in ihr ein unwiderstehliches Verlangen, Gott zu preisen und für ihn zu leiden. Sie sehnt sich nach Bußübungen und Einsamkeit. „Dazu hegt sie den sehnlichsten Wunsch, daß alle Menschen Gott erkennen möchten, und sieht sie, daß er beleidigt wird, so empfindet sie großen Schmerz“[2]. Und obwohl sie in ihrem Leben „noch keine so große Ruhe und keinen solchen Frieden genossen hat“, ist sie doch unruhig. Denn nachdem sie eine solche Ruhe gekostet hat – besonders, wenn es öfters geschieht –, ist ihr alles auf Erden zuwider. „Alles, was die Seele für Gott tun kann, ist ihr im Verhältnis zu ihrem Verlangen zu wenig … Ihre Anhänglichkeit an Verwandte, Freunde und zeitliche Güter ist geschwunden, und weder fromme Anmutungen noch gute Vorsätze noch das Verlangen reichten vorher hin, sich davon zu trennen … Alles Irdische ist ihr zum Überdruß, da sie erfahren hat, daß die Geschöpfe ihr die wahre Ruhe nicht geben können“[3].

Gott hat ihr in der Vereinigung sein Siegel eingedrückt. „Damit die Seele sich fortan als sein Eigentum erkenne, gibt er ihr von dem Seinigen, das ist, was sein Sohn während seines irdischen Lebens hatte“[4]. Das ist das Verlangen, dieses Leben zu verlassen, das wohl niemand sehnlicher empfunden hat als der Gottessohn. Und daneben die Liebe zu den Seelen und das Verlangen, sie zu retten, die ihm so entsetzliches Leiden verursachten, daß ihm der Tod und die Pein, die ihm vorausgehen sollten, im Vergleich dazu wie nichts erschienen.

Dieses Verlangen, um Gottes willen für das Heil der Seelen (auch der eigenen) zu wirken, ist die beste Frucht der Vereinigung. Und sie ist auch von denen zu erlangen, „welchen der Herr keine übernatürlichen Gnaden mitteilt“, wie ihnen zum Trost versichert wird. „Denn die wahre Vereinigung unseres Willens mit dem göttlichen läßt sich mit der Hilfe des Herrn gar wohl von uns erreichen, wenn wir ernstlich nach Vereinigung streben, so daß wir nur das wollen,


  1. a.a.O. S, 113.
  2. a.a.O. S, 114.
  3. a.a.O. S, 115.
  4. a.a.O. S, 119.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Die Seelenburg. Editions Nauwelaerts, Louvain 1962, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Welt_und_Person.pdf/49&oldid=- (Version vom 31.7.2018)