Seite:Edith Stein - Welt und Person.pdf/184

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Die ontische Struktur der Person...

die Seele nicht nur von der Tyrannei des Leibes zu befreien, sondern ebenso die Herrschaft der psychischen Struktur zu brechen und damit erst die Person sich wahrhaft sich selbst in die Hand zu geben. Und es wird hier aufs Neue deutlich, wie der Ort der Freiheit, auf den man zurückgreifen muß, um diese Freiheit zu brechen, zugleich der Punkt ist, mit dem die Seele in der Höhe verankert werden kann.

Das Sakrament der Buße ist die der freien Bußtätigkeit entgegen- und eventuell zuvorkommende Gnadenwirkung. Das Wort des Herrn, das von der Sünde losspricht, vermag eine den psychischen Mächten entgegenwirkende Kraft in die Seele zu senken. Und wie weit außerdem eine freie Aktion erforderlich ist, eine Bußhandlung über die innere Bußfertigkeit hinaus, die unerläßlich ist, das ist Seine Sache. Niemand vermag sich durch frei gewählte Bußhandlungen selbst zu erlösen. Alle Bußhandlungen sind notwendig durch den Willen Gottes geleitete Handlungen, Werke des Gehorsams. Die Mitwirkung der Freiheit besteht hierbei ebenso wie bei dem rein seelischen Empfang der Gnade in der Unterwerfung, in der Preisgabe ihrer selbst.

Es ist für unser Problem nicht erforderlich, alle Sakramente einzeln durchzugehen. Es kommt nur darauf an zu verstehen, welche mögliche Bedeutung ihnen innerhalb des Erlösungswerkes zukommt. Wir haben zu zeigen gesucht, wo innerhalb der Struktur der menschlichen Persönlichkeit die Stellen sind, die ein Angreifen der Gnade durch Vermittlung von Sakramenten sinnvoll erscheinen lassen. Damit ist nicht gesagt, daß sie unerläßlich zur Erlösung sind. Die Gnade kann sich ihrer bedienen, aber sie ist nicht daran gebunden. Prinzipiell kann sie auch allein auf dem Weg, den wir den inneren nannten, ihr Ziel erreichen. Zwischen beiden Wegen zu wählen, ist lediglich Gottes Sache und nicht Sache des Menschen. Wenn es Sakramente gibt, was wiederum eine faktische Frage ist und nicht prinzipiell zu entscheiden, so hat der Mensch nicht das Recht, sie abzulehnen. Die Gnade kann ihm auf dem Wege der inneren Erleuchtung zuteil werden, aber es wäre sündhafter Hochmut, auf diesem Wege zu bestehen und den andern von sich zu weisen. Er kann über seine Natur erhoben werden, aber sich nicht aus eigener Kraft darüber erheben.

Ähnlich verhält es sich mit der Frage, in welcher Form die Sakramente dem Menschen dargeboten werden können. Es ist nicht als

Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Die ontische Struktur der Person und ihre erkenntnistheoretische Problematik. Editions Nauwelaerts, Louvain 1962, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Welt_und_Person.pdf/184&oldid=- (Version vom 31.7.2018)