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Die ontische Struktur der Person...

das, was er berührt, in seinesgleichen verwandeln kann. Nach Art eines mechanischen Geschehens ist dieser Vorgang nicht zu denken. Es ist eine reine Gnadenwirkung, ein Wunder, d.h. ein Geschehen, in dem Gottes Willen unmittelbar wirksam ist. Es besteht kein Gesetz, wonach in jedem Falle, wo ein geheiligter Körper einen andern berührt, dieser verwandelt werden müßte. Aber es kann in jedem Fall einer solchen Berührung diese Wirkung eintreten.

Es kann geschehen, wenn der Heilige im Vertrauen auf die Hilfe von oben seine Hand auf den Kranken legt, auch wenn der Kranke nicht glaubt. Es kann auch geschehen, wenn der Kranke gläubig den Mantel des Heiligen berührt, selbst ohne dessen Wissen und Wollen. Und es kann auch geschehen, wenn von keiner Seite das Wunder gläubig erhofft und erbeten wird, als reine Offenbarung der Heiligkeit.

Alles das waren Gnadenwirkungen, die allein den Leib betrafen (oder auch einen puren materiellen Körper) und ihn noch nicht benützten, um durch ihn an die Seele heranzukommen. Aber auch diese Möglichkeit wird jetzt verständlich. Ein geheiligter Leib beschwert die Seele nicht. Er ist die ihr bereitete Wohnstätte, die ihr ein freies und heiliges Leben ermöglicht. Hier haben die Sakramente ihre Stelle. Gemäß den Feststellungen des Tridentiner Konzils ist das Sakrament res sensibus subjecta, quae ex Dei institutione sanctitatis et justitiae tum significandae tum efficiendae vim habet. Als sichtbare Zeichen der göttlichen Gnade kommen sie hier nicht in Betracht. Uns beschäftigt hier allein die Frage, ob und in welcher Weise sie befähigt sind, Heiligkeit und Gerechtigkeit zu bewirken.

Wäre der Mensch ein rein geistiges Wesen, so käme kein anderer als der rein innerliche Weg der Erlösung für ihn in Frage. Seine leibliche Konstitution, die – in ihrer Verderbnis – ihn am geistigen Aufschwung hindert, macht es auf der andern Seite möglich, ihm mit andern Gnadenmitteln zu Hilfe zu kommen. Er bedarf der Nahrung, um seinen Leib zu erhalten. Und nun besteht die Möglichkeit, ihm neben der irdischen Kost, die heilsam, aber auch verderblich sein kann, eine Speise zu reichen, die ihm zum Heile gereichen muß. Wer den Leib des Herrn in sich aufnimmt, dessen Leib ist selbst geheiligt. Freilich vermag diese Gnadenwirkung zur Seele nur vorzudringen, wenn die Seele der Gnade geöffnet ist. Ist das nicht der Fall, so bleibt der Empfang des Abendmahls für die Seele

Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Die ontische Struktur der Person und ihre erkenntnistheoretische Problematik. Editions Nauwelaerts, Louvain 1962, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Welt_und_Person.pdf/180&oldid=- (Version vom 31.7.2018)