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Zone in Aussicht gestellt. Vom Westen her wies die Stimme auf das stammverwandte Vorarlberg hin. Beides müßten wir immer ablehnen. Wir dürfen nie und unter keinen Umständen einen befreundeten Staat berauben.

Einen neuen Gedanken, der sich merkwürdigerweise mit meinen Tagebuchaufzeichnungen aus den allerersten Kriegstagen deckt, hat jüngst ein englisches Blatt geäußert: für den Fall einer partie remise, wo Deutschland zu schwach wäre, das Elsaß zu halten, Frankreich zu schwach, es völlig zu erobern, dieses Grenzgebiet zu neutralisieren, d. h. der Schweiz anzugliedern. Die historischen Anknüpfungspunkte wären freilich vorhanden. Unsere Beziehungen zum Elsaß sind viel älter als unsere Staatsgeschichte. Elsässische Klöster haben die Urschweiz kolonisiert, die kirchlichen Bande haben teilweise bis 1792 gedauert; bis dahin gehörten die elsässischen Benediktinerklöster zur schweizerischen Kongregation, die Kapuzinerklöster zur Schweizerprovinz. Die Großzahl der Basler Bürgergeschlechter ist elsässischer Herkunft. Mülhausen war bis 1798 formell ein Glied der schweizerischen Eidgenossenschaft und die Beziehungen zu Straßburg haben durch den berühmten Hirsbreitopf Unsterblichkeit erlangt. Voraussetzung wäre die Einverleibung Lothringens in das wiederhergestellte Belgien und damit die Schaffung einer neutralen Zone zwischen Deutschland und Frankreich „vom Fels zum Meer". Die Zukunft der Elsässer ist zwar mitleiderregend: im Falle der Aufrechterhaltung der deutschen Herrschaft verlieren all jene Autochthonen, die einst für Frankreich optiert und heute im Kriege Offiziere geworden, was sie bisher aus Opportunitätsgründen verschmäht, die Aufenthaltsberechtigung im Heimatlande, wo ihre Fabriken stehen, ihr Reichtum ruht; im andern Falle einer Wiedererwerbung durch Frankreich verlieren die Familien der zahlreichen Einwanderer, die sich in einem halben Jahrhundert völlig akklimatisiert, ihre Heimat.

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Robert Durrer: Kriegsbetrachtungen. Rascher & Cie., Zürich 1915, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DurrerKriegsbetrachtungen.pdf/33&oldid=- (Version vom 31.7.2018)