Seite:DurrerKriegsbetrachtungen.pdf/21

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

abenteuerlichen Simplizissimus – des von Grimmelshausen, nicht des Münchner – wieder einmal zu Gemüte zu führen, um sich zu erinnern, was schon in vergangener Zeit die Neutralität der Schweiz für Vorteile gewährte, um zu erkennen, wie sie die Entwicklungsbedingungen unseres Staatswesens bestimmte. Simplizissimus kam als Einsiedler-Pilger aus dem durch den Dreißigjährigen Krieg verwüsteten Reiche, wo es ringsum aussah wie heute in Belgien, über die Schweizergrenze. „Das Land kam mir gegen andere deutsche Länder vor, als wenn ich in Brasilien oder in China gewesen wäre. Da sah ich die Leute im Frieden handeln und wandeln, die Ställe standen voll Vieh, die Bauernhöfe liefen voll Hühner, Gänse und Enten, die Straßen wurden sicher von den Reisenden gebraucht, die Wirtshäuser saßen voll Leute, die sich lustig machten. Da war ganz und gar keine Furcht vor dem Feinde, keine Sorge vor der Plünderung und keine Angst, sein Gut, Leib und Leben zu verlieren. Ein jeder lebte sicher unter seinem Weinstocke und Feigenbaume, und zwar, gegen andere deutsche Länder zu rechnen, in lauter Wollust und Freude, so daß ich dieses Land für ein irdisches Paradies hielt, wiewohl es von Natur rauh genug zu sein schien. Das machte, daß ich auf dem ganzen Wege nur hin und her gaffte.“

Begreiflich, daß seit dieser Zeit die Bitte: DOMINE CONSERVA NOS IN PACE zur bevorzugten Devise auf den Schweizer Münzen wurde.

Die Vorteile der Neutralität genossen die Schweizer auch in den folgenden Welthändeln, dem spanischen, dem österreichischen Erbfolgestreit, dem ersten Koalitionskriege, und wir gewöhnten uns an die materiellen Vorteile unserer neutralen Stellung, wenn es auch schon damals oft schwer hielt, Sympathien, die damals ausschließlich konfessionell orientiert waren, gegen diese materiellen Vorteile ins richtige Verhältnis zu setzen, so daß Neutralitätsverletzungen nach heutigem Begriffe und Begünstigung von Durchzügen fremder Truppen

Empfohlene Zitierweise:
Robert Durrer: Kriegsbetrachtungen. Rascher & Cie., Zürich 1915, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DurrerKriegsbetrachtungen.pdf/21&oldid=- (Version vom 31.7.2018)