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III.
NEUTRALITÄT

Es gab eine Zeit, wo die Schweizer sich für die passive Stellung, die wir heute im Weltkrieg einnehmen, bedankt hätten. Das war, als sie noch jung und jugendlich waren und in alle Raufhändel eingriffen. Die Schwyzer, die Paten des Schweizernamens, wollten sogar einst ihren demokratischen Staatsgedanken mit den Waffen in die Welt tragen, freilich auch etwas in der Art der heutigen Engländer. Sie liehen der revolutionären Propaganda der Appenzeller die Offiziere und den klingenden Namen ihrer Protektion. Es ist schade, daß diese einzige wirklich großzügige Ideenpolitik, die sich in unserer Schweizergeschichte findet, gescheitert ist: die Befreiung der deutschen Bauernschaft bis hinab zu den Ditmarschen, die alle „freie Schweizer“ werden wollten. Sie scheiterte an der Bourgeoisie der städtischen Bundesglieder; reale Eroberungspolitik trat an Stelle idealer Freiheitspropaganda. Die Bauern der Urschweiz haben dann ihresgleichen unterjocht, Sie haben, wie die Schneider, Schuster und Metzger ihrer verbündeten Städterepubliken, leicht gelernt, Feudalherren zu werden und sind bald sogar zu einer imperialistischen Politik gekommen. Aber diese imperialistische Politik fand mit der ersten und letzten großen Niederlage der schweizerischen Wehrkraft auf dem Felde von Marignano ein jähes Ende. Seither, seit bald vierhundert Jahren, ist die Neutralität der Schweizer in den Welthändeln – wenigstens in der Theorie – ein wesentlicher Bestandteil unseres Staatsbegriffes geworden. Wir sind dabei nicht schlecht gefahren.

Man braucht sich nur die oft erwähnte, aber ihrem Wortlaut nach doch wenig bekannte Schilderung des

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Robert Durrer: Kriegsbetrachtungen. Rascher & Cie., Zürich 1915, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DurrerKriegsbetrachtungen.pdf/20&oldid=- (Version vom 31.7.2018)