Seite:DurrerKriegsbetrachtungen.pdf/11

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Ich hatte Gelegenheit, den mündlichen Bericht eines unverfänglichen Augenzeugen, eines amerikanischen Benediktiners, der im kritischen Moment im Kloster Mont César weilte, zu vernehmen. Derselbe stellte die von der belgischen Regierung offiziell geleugnete und von einer gewissen Presse heute noch nicht zugestandene Tatsächlichkeit des plötzlichen Volksaufstandes außer Frage, konstatierte aber auch an drastischen Beispielen die blinde, besinnungslose Verwirrung, die er unter den Landsturmmännern der deutschen Besatzung anrichtete. Aus dem völligen Verluste klarer Ueberlegung ist der tatsächlich erfolgte Befehl zur gänzlichen Zerstörung der Stadt zu erklären. Das Verdienst, den Befehl aufgehalten und die unschätzbaren Denkmäler Löwens der Menschheit gerettet zu haben, gebührt einem jungen Kunsthistoriker, der als Unteroffizier im Regimente stand, und den sein subalterner Rang nicht abhielt, zu protestieren. Daß seine Worte statt Strafe Beachtung fanden, daß er selber mit dem Rettungswerk betraut ward, spricht wahrlich nicht zuungunsten des als bureaukratische Maschine verrufenen deutschen Militarismus. Ich kenne schweizerische Offiziere, von denen ich nicht glaube, daß sie den Wert historischer Bauten besser einzuschätzen gewußt hätten als der Kommandant von Löwen, von denen ich aber ganz sicher annehmen darf, daß sie es für unvereinbar mit ihrer Autorität angesehen hätten, einen solchen gegebenen Befehl auf die Reklamation eines Unteroffiziers zurückzunehmen. – Jedenfalls ist und bleibt es eine Ungerechtigkeit, den Fall Löwen als ein Symptom nationaler Barbarei der ganzen deutschen Nation aufzuladen.

Wie viele Aufregung und Entrüstung haben andrerseits bei unsern germanophilen Deutschschweizern die Dum-Dum-Geschosse der Engländer und Franzosen hervorgerufen. Ueber die gleichartigen, den Oesterreichern gemachten Vorhalte schritt man mit souveräner Ungläubigkeit zur Tagesordnung; von der absichtlichen Bosheit der Franzosen und Engländer war man zum

Empfohlene Zitierweise:
Robert Durrer: Kriegsbetrachtungen. Rascher & Cie., Zürich 1915, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DurrerKriegsbetrachtungen.pdf/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)