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aus Teakholz geschnitzter, über und über ganz fabelhaft reich vergoldeter und auch im Innern mit goldenen Buddhafiguren ausgestatteter Tempel, an den ein fünfstöckiges Kloster für die zum Tempel gehörigen Pungis und seitlich ein Unterkunftshaus für fremde Mönche angebaut ist; auf dem Bilde liegt dieser Teil links, der mit einem Thi gekrönte Tempel zur Rechten. Von dem märchenhaften Glanz der alle Teile dieser Gebäude überziehenden und, zumal bei blendendem Sonnenlicht, überirdisch strahlenden Vergoldung kann das Bild freilich keine Vorstellung geben, denn das schönste Gold, das gleißendste Gelb wirkt auf die Bromsilberschicht der photographischen Platte nicht anders wie nüchternes Schwarz.

Der Königspalast in Mandale;
davor der Verfasser, der ein Stück Zuckerrohr kauft.

Lange konnten sich freilich die Könige von Birma ihrer Residenz Mandale nicht erfreuen, denn nachdem König Mindummin[WS 1] den früheren Königssitz Amarapura am Irawadi i. J. 1858 verlassen und das im Innern liegende Mandale erbaut hatte, weil ihn jeder Pfiff der auf dem Strom verkehrenden Dampfschiffe an die ihm verhaßten Eindringlinge erinnerte, wurde die Stadt wie das ganze Gold und Edelstein bergende Ober-Birma[WS 2] bereits 1886 von den Engländern verschluckt und mit dem schon in den fünfziger Jahren von dem Riesenrachen englischer Ländergier verschlungenen, von der Natur überreich gesegneten Unter-Birma[WS 3] vereinigt. Die ihr Vaterland tapfer und hartnäckig verteidigenden birmanischen Patrioten wurden ohne Unterschied in der ganzen Welt für rebellische Räuber oder Dakoits[WS 4] erklärt und wenn man sie fing, schlimmer als infame Verbrecher behandelt und planmäßig ausgerottet. Daß es hierbei in Birma so wenig wie im Burenvernichtungskriege in Südafrika für die Engländer an empfindlichen Schlappen gefehlt hat, geben englische Berichte natürlich niemals gern zu; freilich trugen die tapferen birmanischen Häuptlinge ihren Vertilgern nicht so hochherzigen Edelmut entgegen, wie die Buren, sondern ließen ihren Rachedurst walten, wo immer sie konnten, und es war nichts Seltenes, daß ein zur Verzweiflung getriebener Häuptling, wie z. B. Mung Gung Gi[WS 5], die von ihm gefangenen englischen Offiziere lebend als Köder in Tigerfallen einsperren ließ.

Schwemodo-Pagode;
der obere Teil ist mit Blattgold überzogen.

Aus weit älterer Zeit als Mandale, ja sogar aus den Anfängen des geschichtlichen Ober-Birma, d. h. aus dem sechsten Jahrhundert, stammt Pegu[WS 6],

an dessen einstige Ausdehnung jetzt nur noch seine gewaltigen Mauerreste erinnern. Hier steht eine der heiligsten Dagobas des Landes, die Schwemodo-Pagode,[WS 7]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Mindummin: vergleiche Mindon Min
  2. WS: Ober-Birma: vergleiche Upper Burma (en)
  3. WS: Unter-Birma: vergleiche Lower Burma (en)
  4. WS: Dakoits: vergleiche Dacoity (en)
  5. WS: Mung Gung Gi: Eigenname, konnte noch nicht identifiziert werden
  6. WS: Pegu: vergleiche Bago
  7. WS: Schwemodo-Pagode: vergleiche Shwemawdaw Pagoda (en)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/81&oldid=- (Version vom 1.7.2018)