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Birmanen hat jeder derartige Humbug auf weit dankbarere Abnehmer zu rechnen als eine Schaustellung mit wissenschaftlichem Anstrich, wie z. B. die ebenfalls vorhandenen Kinematographen und Grammophone.

Auch an Erfrischungen aller Art, an geeistem Sodawasser und fadem Speiseeis, woran man sich den Gaumen zerschneidet, ist ebensowenig Mangel wie an Theebuden, in denen die Leutchen die Zeit verplaudern können, bis der große Augenblick anbricht, wo die Pagodenturmspitze in Bewegung gesetzt und an ihren hochgelegenen Platz gebracht wird

Um den reich geschmückten Thi an seinen Bestimmungsort hinaufzuschaffen, war ein ungeheures schwankes Gerüst aus dünnen Balken, Latten und Bambusstangen aufgerichtet worden, das von der Erde bis zur höchsten Spitze der Pagode hinaufführte; flatternde bunte Flaggen und aufgespannte weiße oder zartfarbige Sonnenschirme gaben dem zierlichen Stangenbau ein überaus heiteres Ansehen, obgleich eine ernsthafte europäische Baupolizei wahrscheinlich allerlei nicht Vorschriftsmäßiges daran entdeckt haben würde.

Ein Neugieriger guckt durch den photographischen Apparat des Verfassers.

Es war fast unmöglich, auf dem belebten Platze einen geeigneten Standort zur Aufnahme des seltsamen Gerüstes zu finden; ich mußte lachen, als ich, auf der Suche nach einem solchen zu meinem Apparate zurückkehrend, die bestürzten Mienen der sich darum herumdrängenden Birmanen bemerkte, denen von einem hervorragend Neugierigen, der während meiner Abwesenheit unter das Dunkeltuch geblickt hatte, die Wundermär verkündet worden war, daß in dem Kasten die ganze Pagode mit Gerüst und Fahnen und Menschen auf dem Kopfe stände!

Es hieß allgemein, der Prinz von Siam würde das Gerüst erklimmen, um von seiner höchsten Höhe aus das Hinaufwinden des Thi zu segnen. Kurz entschlossen bat ich ihn, nachdem er bereits kurz zuvor die Liebenswürdigkeit gehabt hatte, mir nebst dem greisen Olkott und den birmanischen Festleitern, sowie deren wie Wachspüppchen bescheiden im Hintergrund kauernden und geduldig ihre Riesenzigarette schmauchenden Gemahlinnen zu einem Bilde zu sitzen, um die Vergünstigung, mich dieser Turmspitzenbesteigung anschließen zu dürfen.

Prinz Ginavaravansa von Siam und der greise Oberst Olkott; hinten links sitzen die Frauen der vorn kauernden Tempelvorsteher, von denen eine raucht.

Mein Wunsch schien nicht viel Gegenliebe zu finden. So weitgehend auch die Toleranz gegen Andersgläubige sein mag, die der Buddhismus lehrt, so kam doch wohl manchen unter den Vorstehern des Tempels die Erfüllung meines Verlangens wie eine Entweihung des Festes oder des Thi-Kleinods vor. Mir wurde ganz unumwunden gesagt, daß, wenn auch nur der geringste

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Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/71&oldid=- (Version vom 5.7.2018)